Hohle Köpfe
etwas mitteilen wollte. Noch weitere Briefe warteten
darauf, beantwortet zu werden. Der Koordinator des Komitees Gleiche
Höhe Für Zwerge forderte für die Zwerge der Wache das Recht, Äxte
anstelle des traditionellen Schwerts zu tragen. Außerdem sollten sie nur
bei solchen Verbrechen, die von großen Personen verübt worden waren,
als Ermittler eingesetzt worden. Die Diebesgilde beklagte sich darüber,
daß Mumm in al er Öffentlichkeit behauptet hatte, hinter den meisten
Diebstählen steckten Diebe.
Man brauchte die Weisheit des Königs Isiahdanu, um mit diesen An-
liegen fertig zu werden. Und dies waren nur die Briefe eines Tages.
Karotte nahm den nächsten Zettel: »Übersetzung des Textes, den man
in Pater Tubelceks Mund gefunden hat. Warum? OB.«
Karotte las aufmerksam.
Er schauderte, doch nicht wegen der Kälte, die das Eis der Furcht ab-
strahlt. In Mumms Büro war es immer kalt. Mumm hielt sich am liebsten
im Freien auf. Nebelschwaden strichen draußen dahin, und einzelne
Dunsttentakel tasteten sich durchs offene Fenster.
Das nächste Blatt Papier im Korb war ein ikonographisches Bild. Ka-
rotte starrte auf zwei verschwommene rote Augen.
»Hauptmann Karotte?«
Er drehte halb den Kopf, behielt seinen Blick aber weiter auf Grinsis
Foto.
»Ja, Fred?«
»Wir haben den Mörder geschnappt! Wir haben ihn!«
»Ist er ein Golem?«
»Woher wußtest du das?«
Die Tinktur der Nacht ergoß sich al mählich auf die Suppe des Nachmittags.
Lord Vetinari las den Satz noch einmal und fand ihn gut. Besonders
das Wort »Tinktur« gefiel ihm. Tinktur. Tinktur. Ein erlesenes Wort mit vol em Klang. Es bildete einen guten Kontrast zu den schlichten beiden
Silben »Suppe«. Die Suppe des Nachmittags. Ja. Sie enthielt die Croutons
der Teestunde.
Er wußte, daß er ein wenig wirr im Kopf war. Unter normalen Um-
ständen hätte er solch einen Satz sicher nicht zu Papier gebracht.
Eine Kerze stand am Fenster, und ihr Schein erhel te eine draußen im
Nebel hockende Gestalt. Obergefreiter Abfluß. Ein Wasserspeier in der
Wache. Mit der Aufgabe, ganz still zu sitzen und aufzupassen. Vermut-
lich eine Idee von Hauptmann Karotte.
Vetinari stand auf und schloß die Fensterläden. Mit langsamen Schrit-
ten ging er zum Schreibtisch, entnahm der Schublade das Tagebuch,
holte dann ein Manuskript hervor und öffnete das Tintenfaß. Wie weit
war er bisher gekommen?
Kapitel acht, las er nicht ohne Mühe. Die Riten des Menschen.
Ah, ja…
»Was die Wahrheit betrifft… «, schrieb der Partizier. »Ausgesprochen
sol sie werden, wenn es die Umstände erfordern. Und so häufig wie
möglich gehört werden… «
Er fragte sich, wie er »Suppe des Nachmittags« in den Text aufnehmen
konnte, oder wenigstens »Tinktur der Nacht«.
Der Federkiel kratzte übers Papier.
Auf dem Boden lag ein Napf mit den Resten eines Nährbreis, über den
sich Lord Vetinari beim Chefkoch beschweren wol te, sobald es ihm
besser ging. Drei Vorkoster hatten ihn probiert, unter ihnen auch Feld-
webel Detritus, der bestimmt nicht von den gleichen Dingen vergiftet
werden konnte wie Menschen. Vermutlich war er sogar gegen das im-
mun, was gewöhnliche Trolle umbrachte.
Die Tür war verschlossen. Dahinter hörte Vetinari das beruhigende
Knirschen von Detritus’ Schritten. Vor dem Fenster verdichtete sich der
Nebel um den Obergefreiten Abfluß.
Vetinari tauchte den Federkiel ins Tintenfaß und begann mit einer
neuen Seite. Gelegentlich sah er im großen Tagebuch nach und befeuch-
tete einen Finger an der Zunge, bevor er umblätterte.
Nebelranken krochen über die Fensterläden und suchten nach Ritzen,
bis sie schließlich vom Kerzenschein verscheucht wurden.
Mumm sprintete durch den Nebel, verfolgte noch immer die fliehende
Gestalt. Sie war nicht ganz so schnell wie er, trotz der warnenden
Schmerzen in seinen Beinen und einem gelegentlichen Stechen im linken
Knie. Aber wenn er sich ihr näherte, trat ihm irgendein dämlicher Fuß-
gänger in den Weg, oder ein Karren rol te aus einer Seitenstraße.*
Die Stiefelsohlen teilten ihm mit, daß sie vom Breiten Weg nach links
auf die Unvergleichliche Straße abbogen (kleine, quadratische Pflaster-
steine). Dort war der Nebel noch dichter und blieb zwischen den Bäu-
men des Parks gefangen.
Mumm triumphierte. Wenn du zu den Schatten wil st, hast du die Ab-
zweigung verpaßt, mein Junge! dachte er. Gleich sind wir bei der Ankh-
Brücke, und dort ist ein Wächter
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