Hollys Weihnachtszauber
Bequemlichkeit wichtiger ist als Eleganz – und außerdem würden hohe Absätze mich zu einer Riesin machen. Hier allerdings würde ich gar nicht so sehr auffallen, denn Coco ist nur drei oder vier Zentimeter kleiner als ich, und Jude überragt mich ohnehin bei Weitem.
Die Farbe des Kleides schmeichelte meiner helloliv getönten Haut und meinen dunklen Haaren, die weich um meinen Hals fielen. Das ist der einzige Vorteil, wenn man dickes, glattes Haar hat: Es hängt wie ein schwerer Vorhang brav dort, wo man es haben will. Ich trug ein bisschen Make-up auf und fügte dann in Gedanken an Sams Bemerkung eine leicht an Nofretete erinnernde, dunkle Linie um meine Augen sowie ein bisschen Lippenstift hinzu (sehr wartungsintensiv bin ich nicht). Dann versuchte ich mich im Spiegel an einer geheimnisvollen Miene, kann jedoch nicht behaupten, dass ich sie wirklich gut hinbekam.
Ich legte die Granat-Ohrringe an, Alans letztes Geschenk (ich hatte sie Wochen nach seinem Tod gefunden, versteckt und in Geschenkpapier gehüllt), mehr mit Gefühlen von Wehmut und Bedauern als mit der sonst üblichen Mischung aus Trauer und Zorn. Und mit einem stechenden Schmerz des Verlustes ging mir plötzlich auf, dass ich seit meiner Ankunft in Old Place nicht länger das tröstliche Gefühl hatte, dass er bei mir war. Vermutlich war er nun endgültig fort, und ich musste ganz allein weitergehen …
Nur gut, dass mein Eyeliner wasserfest war. Ich tupfte meine Augen mit einem Papiertaschentuch trocken und rannte dann in die Küche hinunter, wo ich mein Kleid mit einer großen weißen Schürze aus der Schublade abdeckte. Ich briet jede Menge Schinken und Eier, die ich, bereit für die nächsten Holly-Muffins, einfach auf einen heißen, zugedeckten Teller legte, als Jude endlich herunterkam, das dunkle Haar vom Duschen noch feucht und lockig. Er trug ein loses blaues Chambray-Hemd mit einem T-Shirt darunter zu Jeans, was wesentlich mehr war, als er letzte Nacht angehabt hatte … Ich spürte, wie mir die Hitze ins Gesicht stieg, hoffte jedoch, er würde es nicht bemerken.
»Tut mir leid, dass ich spät dran bin, aber ich bin wieder eingeschlafen, nachdem Jess mich aufgeweckt hat und …« Er brach ab und musterte mich kritisch. »Hast du geweint?«
»Nein, Zwiebeln geschnitten – da heule ich immer wie ein Schlosshund.«
»Ach so …«, sagte er unsicher. »Ich wollte eigentlich früher runterkommen, um nach dem Feuer zu sehen und mehr Brennholz aus dem Keller zu holen und außerdem die Pferde versorgen, damit du und Becca das nicht machen müsst …«
»Wahrscheinlich hast du noch immer einen leichten Jetlag, allerdings wäre ich froh, wenn du mehr Brennholz heraufholst, dazu bin ich nämlich nicht gekommen, und der Korb mit den Scheiten ist so gut wie leer. Becca und Jess versorgen gerade die Pferde und dürften bald wieder hereinkommen – gefrühstückt haben wir schon.«
»Ich glaube, der Schinkenduft war es, der mich endgültig aufgeweckt und heruntergelockt hat«, gestand er.
»Ich mache Muffins mit Schinken und Ei, und auch Toast, falls jemand welchen möchte, aber es muss im Wohnzimmer gegessen werden, weil ich euch nicht alle hier im Weg haben will, während ich das Weihnachtsdinner koche.« Einsatzbereit stand ich mit Pfannenwender und angewärmtem Teller in den Händen am Herd. »Möchtest du einen Muffin oder zwei?«
»Zwei mindestens. Willst du mich auch aus dem Weg haben? Vielleicht kannst du ja Hilfe gebrauchen, selbst von einer ungelernten Kraft.«
»Danke, ich habe alles im Griff – ich bin bestens organisiert, weißt du.«
»Ja, das ist mir bereits aufgefallen«, sagte er ernst mit Blick auf die Menükarten und die mit Zeiten versehenen Arbeitspläne, die ich an die Küchenpinnwand geheftet hatte.
»Michael hat auch seine Hilfe in der Küche angeboten, und er ist sehr geschickt in diesen Dingen.«
»Geschickt bin ich nicht weniger … Auch wenn ich nicht viel vom Kochen verstehe. Ich würde es gerne lernen.«
»Was, du möchtest lernen zu kochen?«
»Irgendwann hat ein Mann die Fertiggerichte mal satt«, räumte er ein.
»Na ja … ein bisschen könntest du schon helfen.«
Als die restlichen Nachzügler herunterkamen, scheuchte ich sie energisch wieder aus der Küche, während Jude Tee, Kaffee und Muffins ins Wohnzimmer hinübertrug.
»Noel ist der Letzte«, sagte er, als er mit einem Tablett zurückkam. »Er sagt, er möchte nur einen.«
»Das ist nur gut so, anschließend sind die Muffins
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