Hollys Weihnachtszauber
glaubte, und trug ihn ins Speisezimmer, zusammen mit dem alten Standstaubsauger und einem langstieligen, leicht zerzausten braunen Federstaubwedel.
Fang mit einem Raum immer oben an und arbeite dich dann abwärts: So hatte meine Oma es mir beigebracht. Ich entfernte die Spinnweben und entstaubte die Holztäfelung bis zum Boden, dann saugte ich auf kleiner Stufe mithilfe des Verlängerungsaufsatzes einen Teil des Staubs aus den Vorhängen. Ich polierte die Möbel und war gerade dabei, den Fußboden zu putzen, als Jess plötzlich auftauchte.
Als ich ihre dunkle Gestalt mit dem blassen Gesicht schweigend im Türrahmen stehen sah, wäre mir fast das Herz stehen geblieben. Ich schrie auf, und sie fragte: »Habe ich dich erschreckt? Ich habe geklopft, aber ich habe Opas Schlüssel, und als keiner antwortete, bin ich reingekommen. Omi schickt mich, um zu schauen, ob du Hilfe brauchst. Nicht etwa, dass ich gerne Hausarbeit mache«, fügte sie bockig hinzu.
»Ich eigentlich auch nicht, aber was ich mag, ist das Aussehen und der Geruch eines frisch geputzten Zimmers. Es wäre wunderbar, wenn du mir zur Hand gehen könntest. Hier drin bin ich so gut wie fertig, und ich wollte als Nächstes das Gartenzimmer und die Toilette machen, wenn du also den Federwisch nehmen und vorab schon mal die Spinnweben aus den Ecken entfernen könntest, wäre das prima.«
»Oh – okay«, sagte sie, und ihre Miene hellte sich leicht auf, vermutlich weil ich ihr nicht sofort den Staubsauger in die Hand gedrückt hatte.
Merlin folgte ihr nach draußen – offenbar mochte er den Lärm nicht.
Ich machte den Fußboden fertig und nahm die silbernen Kerzenleuchter und das Silbertablett mit in den Wirtschaftsraum, um diese Dinge später zu putzen, dann ging ich nachsehen, wie Jess vorankam.
»Merlin frisst Spinnen«, erklärte mir Jess. »Wahrscheinlich hält er sie für Leckerchen auf Beinen.«
»Gut, ich hasse sie.«
Danach bestand Jess’ Hauptbeitrag zum Putzen darin, mich bei der Arbeit zu unterhalten, indem sie mir in allen Einzelheiten die Handlung ihrer Vampirgeschichte erzählte, bis ich schließlich meinen schmerzenden Rücken aufrichtete und erklärte: »Ich glaube, es wird Zeit fürs Mittagessen.«
»Du siehst ganz schön verschwitzt und schmuddelig aus!«
»Das liegt daran, dass dein Onkel dieses Haus hat verdrecken lassen – er sollte sich was schämen.«
»Ich glaube nicht, dass ihm das überhaupt aufgefallen ist«, meinte Jess. »Wenn er arbeitet, kriegt er sonst nicht viel mit, und er arbeitet die meiste Zeit. Selbst wenn er nicht arbeitet, merkt man, dass er immer noch in Gedanken bei der Arbeit ist. Was isst du zu Mittag?«
»Nichts Aufregendes – wahrscheinlich ein Omelett. Und du?«
»Weiß der Himmel«, sagte sie düster. »Wahrscheinlich Dosensuppe – und die aufzuwärmen, wird meine Aufgabe sein, denn Omi ist heute erschöpft, und Opa kann so was nicht.« Sie stand auf. »Ich komm wohl besser morgen wieder und helf dir beim Bettenbeziehen. Deshalb hat Omi mich eigentlich hergeschickt, um dir zu sagen, dass die Schlafzimmer gelüftet werden sollten.«
»Betten beziehen?«
»Omi sagt, es wäre sehr viel bequemer, wenn wir alle an Weihnachten hier übernachten.«
»Bequemer für wen?«, entgegnete ich erschrocken. Ich war überzeugt, wenn Mo und Jim gekocht hätten, wären sie nur zum Mittagessen gekommen, und ich konnte mich nicht erinnern, dass bis jetzt schon mal von Übernachten die Rede gewesen wäre …
»Für dich natürlich, damit du uns nicht mit dem Auto nach Hause fahren musst. Außerdem haben sie Tante Becca gesagt, dass es doch ein Weihnachtsessen gibt, sie kommt also auch.«
»Wie – zum Übernachten?«
»Ja.« Sie zählte an den Fingern ab. »Das macht also drei Schlafzimmer, nicht wahr?«
»Ich schätze, ja«, sagte ich mit matter Stimme. »Welch ein Jubel! Und ja, du solltest morgen besser noch mal kommen und mithelfen, denn bevor ich die Betten beziehe, werde ich die Schlafzimmer erst putzen müssen.«
Auch müsste ich meine Essensplanung überarbeiten, wenn ich sehr viel mehr als nur ein Mittagessen am Weihnachtstag zu servieren hätte! Nur gut, dass die Wärme von dem großen Kaminfeuer im Salon durch alle Räume im Obergeschoss zog und sie durchlüftete – bis auf die Blaubart-Kammer des Hausherrn natürlich. Wenn es dort bei seiner Rückkehr feucht, muffig und kalt wäre, war er selber schuld.
»Dein Onkel Jude hat gestern Abend angerufen, von daher funktioniert das Telefon
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