Hollywood
bekam es mit der Angst zu tun. »Ruhig, Phil. Beruhige dich doch! Ich hole dir gleich deine Pillen.« Sie warf Joe einen anklagenden Blick zu. »Siehst du, was du wieder gemacht hast? Dein armer Vater!«
»Es geht schon wieder«, sagte Phil Kronowitz. »Ich brauche bloß etwas Ruhe.«
»Ich würde die Wohnung gern erst mal sehen und richtig saubermachen, ehe Joe einzieht«, erklärte Marta. »Man weiß ja, wie schmutzig die Leute heute sind. Wahrscheinlich wimmelt es da von Kakerlaken und Mäusen, und die Bettlaken starren vor Schmutz.«
Phil blieb vollkommen ruhig. »Okay, Mama, du kannst die Wohnung inspizieren. Aber erst, nachdem Joe schon ein paar Tage da wohnt. Sonst störst du womöglich noch jemand.«
Marta gab sich geschlagen. »Okay«, seufzte sie. »Ich kann warten. Aber was soll ich den Nachbarn sagen, wenn sie fragen, wo unser Sohn plötzlich ist?«
Phil schüttelte den Kopf. »Die ganze Nachbarschaft weiß, daß er zur Musterung muß. Wenn er weg ist, sagst du ihnen einfach, er wäre einberufen worden. Das ist ja schließlich der Grund, warum er hier weg muß.«
»Und was ist mit der Hochzeit von Stevie und Motty? Was werden die Nachbarn sagen, wenn er zur Hochzeit seines eigenen Bruders nicht da ist?«
Joe warf Motty einen verblüfften Blick zu. Sie hatte ihm gar nicht erzählt, daß sie mit seinen Eltern über Stevies Heiratsantrag gesprochen hatte. Motty wich seinem Blick aus. Er wandte sich an seine Mutter. »Vielleicht kann ich bis dahin schon ohne weiteres wieder herkommen.«
»Oh, nein«, sagte sein Vater energisch. »Jeder weiß doch, daß man während der Grundausbildung keinen Urlaub bekommt. Wenn du hier plötzlich auftauchen würdest, wüßten alle Bescheid, daß etwas nicht stimmt.«
»Ich glaube, ich gehe mal besser rauf und pack meine Sachen«, sagte Joe.
Auch sein Vater erhob sich abrupt. »Ich muß noch etwas erledigen«, sagte er. »Ich komme gegen halb elf zurück.«
»Jeden Montag- und Mittwochabend mußt du stundenlang weg, um dein Geld zu kassieren«, beklagte sich Marta. »Warum zahlen die Leute eigentlich nicht mehr am Freitag wie früher?«
»Wir machen jetzt viel mehr Umsatz«, sagte Phil. »Wenn ich den Leuten nicht auf die Pelle rücke, kriegen wir unser Geld nie.« Er war bereits auf dem Weg zur Tür. »Um halb elf bin ich zurück«, sagte er noch einmal.
»Vergiß deine Pillen nicht«, rief Marta hinter ihm her.
Phil zog eine kleine Schachtel aus seiner Tasche und zeigte sie seiner Frau. »Ich hab sie dabei«, sagte er. »Alles in Ordnung.«
***
Als er den Wagen seines Vaters zurückkommen hörte, hatte Joe gerade seinen Koffer gepackt und mit einiger Mühe den Deckel geschlossen. Die Hintertür öffnete sich, dann kam sein Vater mit schweren Schritten die Treppe herauf und verschwand im Elternschlafzimmer. Kurz darauf hörte man Geräusche im Badezimmer, und wenig später stellte Joe fest, daß seine Eltern das Licht gelöscht haben mußten.
Joe hatte nicht alle seine Manuskripte in den Koffer gekriegt. Einige lagen noch auf dem Tisch. Er setzte sich auf die Bettkante und begann, sie noch einmal zu lesen. Eine der Geschichten war noch mit Bleistift geschrieben, sie mußte ungefähr fünf Jahre alt sein. Damit hatte er seine Englischlehrerin beeindrucken wollen. Sie war der erste Mensch gewesen, der ihm bestätigt hatte, daß er Talent zum Schriftsteller habe.
Die Tatsache, daß ihr breiter Ausschnitt ihm mindestens ein- oder zweimal einen langen Blick auf ihren wunderschönen runden Busen und ihre exquisiten rosa Brustwarzen gewährt hatte, war zwar nicht die einzige Ursache für seine Entscheidung gewesen, ein berühmter Schriftsteller zu werden, aber sie hatte einiges damit zu tun. Davon handelte auch seine Geschichte: Ein Schüler an der High School verliebt sich in seine Englischlehrerin, weil er glaubt, sie habe ihn absichtlich in ihr Dekolleté sehen lassen. Seine Illusionen werden zerstört, als er mit einem Blumenstrauß vor ihrer Tür steht und ihr Ehemann öffnet. Über ein Jahr hatte Joe von dieser Englischlehrerin geträumt und fast zehn Tuben Vaseline verbraucht, um seinen wundgeriebenen Penis zu heilen. Seine Mutter war außerordentlich wütend über die fertigen Laken gewesen. Als er jetzt die Geschichte erneut las, merkte er natürlich sofort, daß er über seine Frustrationen hätte schreiben sollen, statt eine melodramatische, völlig fiktive Liebesgeschichte zu konstruieren. Er warf das Manuskript auf den Boden, zog sich aus und legte
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