Hornblower 07 - Unter wehender Flagge
die gleiche Bemerkung über die armen Seeleute und Gottes Hilfe gemacht hatte. Ihm war, als müsse es schon vierzehn Tage her sein, daß er die stickige Luft des Wageninnern eingeatmet hatte.
Knirschend glitt der Kiel über eine Kiesbank hinweg, blieb stecken, riss sich los, ruckte ein paarmal und saß endgültig fest.
Vergebens zog Hornblower wie besessen an den Riemen.
»Bleibt gar nichts anderes übrig, als das Boot abzustoßen«, sagte er und legte die Ruder nieder.
Er stieg über die Seite hinweg ins eiskalte Wasser und wäre auf den glatten Steinen beinahe ausgerutscht. Brown folgte ihm.
Ihren vereinigten Bemühungen war es ein leichtes, das Fahrzeug flott zu bekommen. Schnell kletterten sie wieder an Bord, und Hornblower beeilte sich, den Bug von neuem in den Wind zu drehen. Dennoch saßen sie wenige Sekunden später wieder auf Grund. Es begann sich wie ein Alpdruck auf sie zu legen. In der Finsternis konnte Hornblower nicht erkennen, ob die Schwierigkeiten dem Wind zuzuschreiben waren, der sie gegen das Ufer trieb, oder ob sie davon herrührten, daß der Fluss hier eine so große Biegung machte. Womöglich waren sie sogar in einen leichten Seitenarm geraten. Wie dem auch sein mochte, jedenfalls mussten sie immer wieder aussteigen, um das Boot flottzumachen, das über unsichtbare Steine hinwegglitt und holperte. Bis zur Hüfte versanken die beiden Männer in Tümpeln; zerschunden und zerschlagen wurden sie in diesem irrsinnigen Spiel mit dem reißenden Fluss. Bitterkalt war es jetzt. Die Seiten des Bootes waren von einer dünnen Eiskruste überzogen. Mitten in diesem Kampf mit den Elementen dachte Hornblower plötzlich mit tiefster Sorge an Bush, der eingewickelt im Heck lag.
»Wie steht es mit Ihnen, Bush?« fragte er.
»Oh, ganz gut, Sir.«
»Warm genug?«
»Aye, aye, Sir. Jetzt kann ja nur noch der eine meiner Füße nass werden.«
Wahrscheinlich tut er gewollt heiter, dachte Hornblower, der bis zur Wade im rauschenden Wasser stand, um das Boot über anscheinend endlose Untiefen zu ziehen. In Wirklichkeit musste Bush, ungeachtet der Decken und des Mantels, schauderhaft frieren. Durchnässt war er vermutlich auch, und dabei hätte er in diesem Zustand eigentlich zu Bett liegen müssen.
Möglicherweise erlag Bush noch in dieser Nacht solchen Strapazen. Mit einem Ruck kam das Boot los, und Hornblower taumelte bis über die Oberschenkel in die kalte Flut. Er schwang sich über das schwankende Dollbord, während Brown, der offenbar vollkommen untergetaucht war, spuckend von der anderen Seite hereinkletterte. Beide Männer griffen zu den Riemen, um sich vor allem Bewegung zu machen, indessen ihnen der Wind bis ins Mark schnitt.
Die Strömung riss sie mit sich fort. Die nächste Berührung erfolgte mit den Uferbäumen. In der Dunkelheit hielt Hornblower sie für Weiden. Die Zweige, an denen sie entlangstrichen, überschütteten sie mit Schnee, kratzten sie, schlugen nach ihnen und hielten das Boot fest, bis sie tastend das Hindernis fanden und es beseitigten. Als sie wieder trieben, kam Hornblower der Gedanke, daß er es, wenn ihm die Wahl bliebe, lieber mit Steinen zu tun haben würde. Er musste lautlos lachen, aber seine Zähne klapperten dabei. Selbstverständlich befanden sie sich bald genug wieder zwischen den Steinen.
Offenbar handelte es sich diesmal um eine kleinere Stromschnelle. Das Boot schoss zwischen Felsblöcken und steinernen Ufern dahin.
Allmählich gewann Hornblower ein Bild des Flusses; lange Strecken glatten, schnellfließenden Wassers wechselten mit steinigen Engen ab. Das Boot, in dem sie sich befanden, war vermutlich in der Nähe der Stelle, an der sie es gefunden hatten, erbaut und vielleicht von den ansässigen Bauern als Fähre benutzt worden. Es bestand kaum eine Wahrscheinlichkeit dafür, daß die Eigentümer es jemals wiedersehen würden.
Unterhalb der letzten Schnelle gab es lange Zeit kein Hindernis. Die drei Männer hatten mittlerweile gelernt, das schneebedeckte Ufer rechtzeitig zu erkennen, wenn sie nur noch wenige Meter davon entfernt waren. Hornblower und Brown sorgten dafür, daß sie nicht aufliefen. Jeder kurze Blick auf die Böschungen gestattete ihnen, die Richtung der Strömung zum Wind zu überprüfen, so daß sie kräftig durchziehen konnten, ohne fürchten zu müssen, auf Grund zu laufen. Inzwischen hatte es beinahe aufgehört zu schneien, aber dadurch wurde es nicht wärmer. Überall im und am Boot hatte sich Eis gebildet, das die Planken unerträglich
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