Hornblower 07 - Unter wehender Flagge
nichts anzumerken.
London, 129 Bond Street 7.Juni 1811
Sehr verehrter Herr Kapitän!
Es fällt mir nicht leicht, diesen Brief zu schreiben, so überwältigt haben mich Freude und Überraschung, als ich soeben von der Admiralität erfuhr, daß Sie frei und gesund sind.
Ich beeile mich, Ihnen mitzuteilen, daß sich Ihr Söhnchen in meiner Obhut befindet. Als es nach dem beklagenswerten Tode Ihrer Gattin Waise geworden war, machte ich mich für seine Pflege verantwortlich, während meine Brüder, die Lords Wellesley und Wellington, als Paten an seiner Taufe teilnahmen.
Dementsprechend erhielt es die Namen Richard Arthur Horatio.
Richard ist ein hübscher, gesunder Junge, der auffallend seinem Vater ähnlich sieht und den ich bereits so lieb gewann, daß ich einen großen Verlust erleiden werde, wenn die Zeit kommt, da Sie ihn mir wegnehmen. Lassen Sie mich Ihnen versichern, daß es mir ein Vergnügen sein wird, vorläufig weiter für Richard zu sorgen, denn ich nehme an, daß Sie nach Ihrem Eintreffen in England zunächst sehr beschäftigt sein werden.
Hochwillkommen werden Sie mir sein, wenn Sie Ihren kleinen Sohn, der täglich verständiger wird, bei mir besuchen wollten.
Es wird das nicht nur für Richard eine Freude sein, sondern auch für Ihre aufrichtige Freundin
Barbara Leighton
Hornblower räusperte sich nervös, und dann las er den Brief nochmals. Er enthielt allzuviel handgreifliche Neuigkeiten, um Raum für tiefer gehende Empfindungen zu lassen. Richard Arthur Horatio Hornblower hatte zwei Angehörige des mächtigen Hauses Wellesley zu Paten und wurde täglich verständiger. Vielleicht stand ihm demnach eine glänzende Zukunft bevor. Bis zu dieser Stunde hatte Hornblower kaum jenes Kleinen gedacht. Seine väterlichen Gefühle wurden nur wenig durch die Anwesenheit eines Kindes berührt, das er nie gesehen hatte. Überdies wurden sie überschattet vom Gedenken an den kleinen Horatio, der vor vielen Jahren, den Blattern erliegend, in seinen Armen gestorben war. Nun aber ergriff ihn plötzlich eine Welle der Liebe zu diesem kleinen Burschen dort in London, dem es gelungen war, das Herz Barbaras zu gewinnen.
Und Barbara hatte sich seiner angenommen; vermutlich, weil sie als kinderlose Witwe ohnehin die Absicht hegte, ein geeignetes Waisenkind zu adoptieren... und dennoch konnte es sein, daß sie dem Kapitän Hornblower, von dem sie annahm, daß Bonaparte ihn hatte töten lassen, ein gütiges Gedenken bewahrte.
Hornblower vermochte diesen Gedankengängen nicht länger zu folgen. Er schob den Brief in seine Tasche - alle anderen hatte er einfach an Deck fallen lassen - und sah unbewegten Gesichts seinen Kameraden Bush an.
»Das sind noch die übrigen Schreiben, Sir«, sagte Bush äußerst taktvoll. Er hatte sie inzwischen aufgehoben.
Zuschriften waren es von bedeutenden Persönlichkeiten und von Verrückten - eine enthielt eine Unze Schnupftabak als Gruß und Anerkennungszeichen eines überspannten Gutsherrn -, aber nur einer befand sich darunter, der Hornblowers Aufmerksamkeit erregte. Der Brief kam von einem in der Chancery Lane wohnenden Rechtsanwalt, dessen Name ihm übrigens unbekannt war, der ihm aber mitteilte, daß nach dem, was er von Lady Barbara Leighton erfahren habe, die Nachricht von seinem Ableben unzutreffend sei. Bislang habe er, den Anordnungen des Lords der Admiralität entsprechend, an der Regelung der Vermögenswerte des Herrn Kapitäns Hornblower gearbeitet und sich zu diesem Zweck auch mit dem Prisenagenten von Port Mahon in Verbindung gesetzt. Mit der Zustimmung des Lordkanzlers handle er nach dem Ableben der Mrs. Maria Hornblower als Treuhänder des Erben Richard Arthur Horatio Hornblower. Der Erlös für die Prisen des Kapitäns Hornblower sei, nach Abzug der Unkosten, in Staatspapieren angelegt worden. Wie Herr Kapitän Hornblower aus der beigefügten Aufstellung ersehen möge, handle es sich um eine Summe von 3291 Pfund, 6 Schilling und 4 Pence, die nun naturgemäß wieder ihm selbst zur Verfügung stehe. Der Anwalt sehe seiner geschätzten Stellungnahme entgegen.
Die Abrechnung, die Hornblower gerade beiseite legen wollte, enthielt unter all den teilweise sehr kleinen Beträgen eine Zusammenstellung, die sich mit den Begräbniskosten der verstorbenen Mrs. Hornblower befassten: ein Grab im Friedhof der Kirche St. Thomas Beckett nebst Grabstein und Lohn für die Totengräber. Eine gespenstische Liste war es, die Hornblower fast ein wenig frösteln ließ. Mehr als alles
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