Horowitz, Anthony - Die fuenf Tore 5 - Zeitentod (Das Finale - Teil 1)
finden müssen. Nicht hier. Sie hatten keine Zeit mehr. Aber vielleicht im Flugzeug. Es war eine Boeing 747 und sie waren die einzigen Passagiere. Da war Platz genug. „Ich hätte Pedro gern wieder in meinem Gewahrsam gehabt“, sagte er. „Wenn du wusstest, wo er ist, hättest du mir Bescheid sagen können. Oder mir wenigstens verraten können, wer ihm zur Flucht verholfen hat. Ich nehme an, dass du das weißt. Wie hat er eigentlich Kontakt zu dir aufgenommen?“
„Er hat mir eine Nachricht zukommen lassen.“
„Ich bin sehr enttäuscht von dir, Scott.“
„Du brauchst Pedro nicht“, entgegnete Scott ungerührt. „Er bedeutet dir nichts. Du hast, was du wolltest. Du hast mich.“ Seine Stimme war kalt, aber er wirkte trotzdem vollkommen entspannt. Jonas war verunsichert. Er war es gewesen, der diesen Jungen zu dem gemacht hatte, was er war, aber was hatte er da geschaffen? „Und wenn du willst, dass wir jetzt gehen, dann lass uns gehen. Aber hör auf, mich zu behandeln wie ein Kleinkind.“
„Ich glaube, du vergisst, mit wem du es zu tun hast.“ Jonas hatte beschlossen, dass es reichte. Er musste diesen Aufstand im Keim ersticken. „Wie kannst du es wagen, in diesem Ton mit mir zu sprechen!“
„Ich spreche mit dir, wie es mir passt.“ Der Hass brach aus ihm hervor. Er war in seinen dunklen Augen und in seiner Stimme. Scott wurde von seinem Hass verzehrt. „Ich glaube, du vergisst, mit wem du es zu tun hast, Jonas. Du dienst den Alten. Wir beide dienen ihnen. Aber da gibt es einen kleinen Unterschied. Du bist ein verwöhnter Mensch, dem sie zur Belohnung ein bisschen Macht gegeben haben. Aber ich bin einer der Fünf. Ich war ganz zu Anfang dabei, als die Alten besiegt wurden, und seitdem fürchten sie mich. Ich verfüge über gewisse Kräfte, und seit ich akzeptiert habe, was ich bin, und mich dir angeschlossen habe, sind sie merkwürdigerweise stärker geworden als je zuvor. Ich kann dir nicht beschreiben, wie sich das anfühlt. Es ist unglaublich. Möchtest du meine Kräfte sehen, Jonas? Wie wär’s mit einer Kostprobe?“
„Lass uns lieber aufbrechen …“, murmelte Jonas.
Aber es war zu spät.
„Ich kann deine Gedanken lesen“, fuhr Scott fort. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und obwohl er ein paar Zentimeter kleiner war als Jonas, schien er ihn zu überragen. Er starrte Mortlake unverwandt in die Augen. „Ich kenne jedes kleine schmutzige Geheimnis deines Lebens. Ich weiß, was du denkst, wenn du morgens aufstehst, und auch, was du träumst, wenn du nachts im Bett liegst. Aber das ist nicht alles! Ich kann dich auch kontrollieren. Das konnte ich schon immer -die Menschen dazu bringen, dass sie genau das tun, was ich will. Als ich meinen Stiefvater umgebracht habe, war ich erst zwölf. Ich habe ihn dazu gebracht, auf eine Leiter zu steigen und sich aufzuhängen. Dasselbe könnte ich mit dir machen.“
„Das reicht, Scott.“
„Das reicht noch lange nicht, Jonas. Ich denke, es ist Zeit, dass du begreifst, wer ich bin und was ich tun kann. Ich weiß, dass du gern Finger brichst. Das ist auch mit Pedro passiert. Wieso findest du nicht heraus, wie sich so etwas anfühlt? Warum brichst du dir nicht einen von deinen Fingern?“
„Was …?“
„Du hast mich gehört.“
„Das ist nicht dein Ernst.“
„Oh doch.“
Scott starrte ihn an und Jonas sah aus, als würde er unter Strom stehen. Sein ganzer Körper zuckte, vor allem die Arme, denn er kämpfte um ihre Kontrolle.
„Scott …“, würgte er hervor.
„Es ist mir egal, was du mit mir machst“, sagte Scott. „Aber du lässt meine Freunde in Ruhe!“
„Er war nicht dein Freund!“, keuchte Jonas, dem die Augen aus dem Kopf quollen und dessen Gesicht verzerrt war. Sein ganzer Körper kämpfte gegen sich selbst und es sah aus, als würde er jeden Moment umkippen. Scott starrte ihn immer noch an, und ohne es zu wollen, packte Jonas den kleinen Finger seiner linken Hand. Alle Muskeln in seinen Armen und Schultern zuckten unkontrolliert. „Bitte …“, wimmerte er. Ihm brach der Schweiß aus. Sein Gesicht war in Erwartung der Schmerzen verzerrt und Tränen rannen aus seinen Augenwinkeln. Er umklammerte den kleinen Finger mit der rechten Hand und bog ihn von den anderen weg. „Scott …“, flehte er ein letztes Mal.
„Brich ihn!“
Jonas konnte nichts dagegen tun. Er hatte keine Kontrolle über sich. Er schrie auf, als der Knochen brach, und sofort war der Bann aufgehoben. Jonas fiel auf die Knie. Er
Weitere Kostenlose Bücher