Huff, Tanya
werden es schaffen. Wir werden Vicki befreien. So oder so."
Die Worte, der Klang, der Mann selbst - das ließ keinen Raum für Widerworte. Celluci nickte, fühlte sich gegen den eigenen Willen ge tröstet und dachte, wie auch damals in der Küche des Bauernhauses, daß er bereit war, dem ... Verfasser von Liebesromanen! ... zu folgen.
Verfasser von Liebesromanen - selbst diesen kleinen Sarkasmus hatte er ohne Überzeugung gedacht. Celluci fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und senkte den Blick, wobei ihm klar war, daß er das nur tun
konnte, weil Fitzroy es gestattet hatte. Merkwürdigerweise neidete er dem anderen dessen Kraft nicht. „Ihnen
bleibt nicht
viel Zeit,
bis sich das Notaggregat einschaltet, Sie müssen also sehr schnell sein."
„Das ist mir klar!"
Mike legte
den Gang ein. „Also, äh, passen Sie auf sich auf."
„Werde ich." Henry sah zu, wie der Wagen sich entfernte, wie die Rücklichter
hinter einer Ecke verschwanden und ging dann langsam hinüber zur Haftanstalt.
Er trug eine schwarze Hose und schwarze Schuhe
mit Kreppsohlen, aber einen tief dunkelroten Rollkragenpull over; es war besser, nicht mehr als irgend
notwendig einem Fassaden kletterer zu
gleichen. Er hatte eine dunkle Wollmütze dabei, die er sich über die Haare stülpen wollte, sobald er die
Mauer zu erklettern begann. Gleich
nach seiner Wandlung hatte er schmerzhaft lernen müssen, daß ein Vampir
mit hellem Haar sehr im Nachteil ist, wenn es
darum geht, sich unentdeckt in der Dunkelheit zu bewegen.
Aus nicht
allzu weiter Ferne drangen Verkehrsgeräusche zu ihm herüber; ein Radio spielte, ein Baby weinte; Geräusche von Men schen, die sich nicht darum kümmerten, daß ganz in
der Nähe der Wohnungen, in denen sie
ihr Leben verbrachten, Menschen in Kä fige
eingesperrt saßen. Oder vielleicht haben sie alle einfach vergessen, daß sie
das überhaupt einmal wußten. Henry berührte vorsichtig die Gefängnismauer und
hielt seine empfindlichen Augen gegen das gleißende Flutlicht
abgeschirmt.
Kerker,
Gefängnisse, Haftanstalten - da gab es kaum Unterschie de. Er spürte das Elend, den Trotz, die Wut, die Verzweiflung; diese
Mauern waren damit getränkt. Jedes Leben, das man hier eingesperrt hatte, hinterließ eine finstere Spur. Henry hatte
nie verstanden, warum die Folter des
Eingesperrtseins dem Tode vorzuziehen sein sollte.
„Man gibt ihnen die Möglichkeit, sich zu ändern", hatte Vicki protestiert,
als einmal ein Zeitungsartikel über die Todesstrafe eine Diskussion zwischen
ihnen ausgelöst hatte.
„Du kennst die Gefängnisse deines Landes von innen", hatte Henry
erwidert. „Welche Möglichkeiten bieten sie denn, sich zu ändern? Ich habe wahrlich nie in einer Zeit gelebt, die sich so gern selbst belügt wie
diese hier!"
„Deiner Meinung nach sollten wir
also dem Beispiel des guten Königs Heinrich folgen und
Gefangene mit Ketten an die Wand schmieden, bis
es Zeit ist, ihnen die Köpfe abzuschlagen?"
„Ich habe nie gesagt, daß früher alles besser war, Vicki! Aber zu mindest hat mein Vater die, die er einkerkern ließ, nie beleidigt, indem er
ihnen sagte, es geschehe zu ihrem eigenen Wohl!"
„Weil es zu seinem eigenen Wohl geschah!" hatte Vicki geschnaubt und sich
geweigert, die Sache weiter zu diskutieren.
Henry hatte nun die Stelle gefunden, an der er über die Mauer klettern würde und ging weiter, bis er die Grenze zwischen Flutlicht und
Finsternis erreicht hatte. Dort drehte er sich um und wartete. Er vertraute auf Cellucis Fähigkeit, die
Elektrizität zu kappen, vertraute dem anderen mehr, als dieser ihm und
seinen Fähigkeiten vertrauen mochte, wirklich in die Haftanstalt einzudringen
und Vicki herauszuholen. Es dauert seine Zeit, bis man lernt, sich von der
Eifersucht nicht mehr automatisch blenden zu
lassen - und Henry hatte dafür so
viel mehr Zeit zur Verfügung gehabt als Celluci.
Sie waren einander so ähnlich, Vicki Nelson und Mike Celluci, sie waren
beide vollständig in ihren Vorstellungen von Recht und Gesetz aufgegangen.
Aber einen Unterschied, das hatte Henry festgestellt, gab es zwischen den beiden, einen entscheidenden Unterschied: Vicki war bereit, aus Idealismus gegen das Gesetz
zu verstoßen; Mike brach es nur ihretwegen. Vicki, nicht der Glaube an
Gerechtigkeit, hatte ihn im August in London
schweigen lassen. Sie persönlich, nicht
die Ungerechtigkeit der ganzen Sache, leitete den Polizeibeam ten auch in dieser Nacht - obwohl ihm das, was er
mit Henry geplant hatte,
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