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Ich bin dann mal alt

Ich bin dann mal alt

Titel: Ich bin dann mal alt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Pausch , Gert Boehm
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bei Suchterkrankungen ist der sofortige Entzug (mit ärztlicher Hilfe) hilfreich. Außerdem ist es unerlässlich, sich mit den Ursachen der Selbstvergiftung auseinanderzusetzen. Aus Erfahrung weiß man, dass hinter jeder Sucht eine Sehnsucht steht – nach Leben. Das Erkennen deiner Sehnsucht öffnet dir den Weg zur Heilung.
    Grenzen achten – und überschreiten
    Ein Mensch hält viel aus. Manchmal glaubt er, dass es gar nicht mehr weitergeht, aber da darfst du nicht aufgeben – es geht weiter. Wenn einmal ein Tag ganz schwer war, habe ich abends die Wirtshaustür weit aufgemacht und durchgelüftet. Dann Tür zu – und ins Bett. Am nächsten Tag war alles wieder ganz anders.
    Lindenwirtin Josefine Wagner
    Menschen sind unvollkommene Wesen mit natürlichen Grenzen. Wir können nicht alles – trotzdem haben die Menschen immer versucht, ihre Grenzen zu überschreiten, vor allem in der Konfrontation mit dem Tod. Doch auch im Alltag werden uns die Begrenzungen bewusst, und wir spüren die Einschränkungen, denen unser Körper, die Gefühle und der Geist unterliegen.
    Grenzen engen scheinbar die persönliche Freiheit ein. Deshalb gibt es in modernen Gesellschaften die Tendenz, dem Einzelnen möglichst keine Grenzen zu setzen, damit er sich und seine Wünsche ungehemmt ausleben kann – mit der Gefahr, dass sich egozentrische Lebensformen immer mehr ausbreiten. Manche Menschen fühlen sich wohl, wenn sie zu ihrem Vorteil Grenzen missachten, aufweichen oder deren Übertretung beschönigen. Unklug ist es auch, gegen seine Schranken ständig mit Gewalt anzurennen. Natürlich soll man sich mit Grenzen auseinandersetzen, aber es hat wenig Sinn, ständig selbstgrüblerisch die Hindernisse zu analysieren oder dauernd mit dem Kopf gegen die Wand zu rennen – sie ist härter. Alles Leben hat Grenzen. Sie sind sinnvoll, weil sonst ungezügeltes Wachstum das Leben gefährden würde. Meistens nehmen wir jedoch die Grenzen als Hindernisse wahr und übersehen, dass es gesundes Wachstum nur innerhalb gewisser Beschränkungen geben kann.

    Wir haben Mechanismen entwickelt und uns Denkmuster angeeignet, die grenzenloses Wachsen viel zu positiv sehen. Vor allem das ungebrochene materielle Wachstum wird hoch gepriesen: Geschäftsumsätze und Renditen müssen immer weiter steigen, die Leistungsfähigkeit von Maschinen wird ständig effizienter, Kommunikation immer intensiver. Wenn ein Mensch nicht mehr kann, wenn ihm der Atem ausgeht und das Herz stillsteht, gilt das weniger als Folge einer falschen Grundeinstellung, sondern eher als peinlicher Betriebsunfall. Wir sehen nur ungern ein, dass unser Leben Grenzen hat – und ignorieren sie. Das wirkt sich natürlich frustrierend aus, vor allem für diejenigen, die nicht gelernt haben, mit Grenzen verantwortlich, liebevoll und aufmerksam umzugehen.
    Zum Beispiel wird die berufliche Arbeit von vielen als eine Gelegenheit gesehen, alle Grenzen zu überschreiten. Je mehr man damit Geld verdient, desto weniger – so jedenfalls glauben viele – müssen Grenzen beachtet werden. Wer so denkt, kann und darf sich scheinbar alles leisten: dubiose Geschäfte, Bestechung und Korruption, riskante Entscheidungen, mangelnde Rücksichtnahme auf die Sicherheit der Arbeitsplätze. Manchen Managern erscheint die Geschäftswelt als ein Paradies auf Erden. Sie sehen nicht, dass alles Leben eingebunden ist in Grenzen. Der steile Anstieg physischer und psychischer Leiden bei Arbeitnehmern in der Gegenwart, auch die Krise unserer Sozialsysteme zeigen, dass willkürliches und ungezügeltes Wachstum dem Leben schadet.
    Wer Beziehungen hat – zu sich selbst, zu anderen, zur Natur und zur Schöpfung –, hat auch Grenzen. Der Dieb missachtet sie beim Stehlen, und wer sich in fremde Beziehungen einmischt oder sogar die Ehe bricht, überschreitet sie ebenfalls. Dem Leben in einer Gemeinschaft tut es gut, wenn man sich seiner eigenen Grenzen und denen der anderen bewusst ist.

    Menschen sehnen sich nach Berührung – körperlich, emotional und geistig. Um sich diesen Wunsch zu erfüllen, muss der Mensch Grenzen überschreiten, anders kann er die Berührung nicht spüren. Dieses Überschreiten darf nicht aggressiv oder nur berechnend erfolgen, sondern muss behutsam und mit hoher Achtsamkeit geschehen, um niemanden zu verletzen. Gieriges, oft lüsternes Eindringen in die Intimsphäre eines anderen Menschen erzeugt Unfrieden und Chaos. Das Beachten von Grenzen hat auch zu tun mit Verzicht. Beziehungen leben davon, dass

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