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Ich bin ein Genie und unsagbar böse

Titel: Ich bin ein Genie und unsagbar böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josh Lieb
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die Freiheit entflieht. Er blickt ihr nach, seine Augenbrauen wölben sich vor liebeskranker Sehnsucht.
    Moorhead scheint also verknallt zu sein, wie interessant … das könnte ein ziemlicher Spaß werden, wenn er sich die Abfuhr des Jahrhunderts holt. »Ich brauche den Mitschnitt von Horchposten 2«, flüstere ich, »die letzte halbe Stunde.«
    Als ich vor Ort eintrudele, ist Direktor Pinckney immer noch in seinem Büro. Vor allem deshalb, weil
eine gedankenlose Person zwei riesige Kartons mit Schulbüchern direkt vor seine Tür gestellt hat und sie damit blockiert. Ich will gerade eintreten, als der Direktor sich mühselig seinen Weg nach draußen bahnt. Mehrere Exemplare von Die ruhmreiche amerikanische Geschichte schießen quer über den glatten Boden. Er schaut ihnen verärgert nach, ehe er mir einen erstaunten Blick zuwirft. »Was kann ich für dich tun, Oliver?«
    »Ich will Klassensprecher werden.«
    »Verstehe«, sagt er. Er dreht sich um und tritt so hart gegen ein Buch, dass es nacheinander an drei Wände fliegt.
    Leon Pinckney ist ein gutherziger Mann mittleren Alters, ehemalige Sportskanone und überaus kompetenter Lehrer der Naturwissenschaften. Zu seinem Pech haben seine Intelligenz und seine große, teure Familie dazu beigetragen, dass er heute einem Verwaltungsjob nachgeht. Und so ein Job bringt es nun mal mit sich, dass man kleinen Hohlköpfen wie mir sagen muss, dass sie unmöglich Klassensprecher werden können.
    Seine schokoladenbraunen Brauen krümmen sich in echtem Mitgefühl. »Tja, weißt du, Oliver, wer Klassensprecher werden will, der muss zunächst aufgestellt und dann gewählt werden.«
    Als ich ihm die Situation erläutere, lächelt er erleichtert. »Tut mir wirklich leid für dich, aber wenn du die Kandidatur abgelehnt hast, kann ich nichts für dich tun. Es wäre nicht fair den anderen Schülern gegenüber, wenn ich in deinem Fall eine Ausnahme machen würde. Das verstehst du doch, oder?«
    Natürlich kennt er die bornierte Engstirnigkeit von Kindern, denen Fairness über alles geht. Ich mache ein enttäuschtes Gesicht und ziehe Leine, doch sonderlich
überrascht bin ich nicht. Ich wusste, dass es kein Kinderspiel sein würde. »Schickt den Motivator«, flüstere ich auf dem Weg in mein Klassenzimmer.
    Moorhead sabbelt auch heute wieder über Fahrenheit 451. Ich stelle die Ohren auf Durchzug - die Konversation, die ich mittels des kleinen Knopfs in meinem Ohr hören kann, ist sowieso viel interessanter. Es ist der Wortwechsel zwischen Moorhead und Sokolov, der sich vor zwei Stunden im Lehrerzimmer ereignet hat, kurz bevor ich an ihnen vorbeiging.
    Moorhead (mit gespieltem Erstaunen): »Oh, hi Lucy! Wie schön, dich zu sehen!« (Verkrampftes Lachen)
    Sokolov : »Oh, hallo, äh … (versucht sich offenbar an seinen Namen zu erinnern) Neil.«
    Moorhead : »Darf ich dir eine Tasse Kaffee anbieten?«
    Sokolov : »Nein, danke. Ich trinke keinen Kaffee.«
    Moorhead : »Ist auch besser so. Ich trinke heute schon meine dritte Tasse.« (Verkrampftes Lachen)
    Sokolov : »Eine schlechte Angewohnheit. Ich muss jetzt in meine Klasse.«
    Moorhead : »Oh!!! Du liest gerade Pnin . Das ist doch von Nabokov, oder?«
    An dieser Stelle muss ich breit grinsen. Moorhead flirtet nicht nur erbärmlich schlecht, sondern schafft es auch noch, Nabokovs Namen falsch auszusprechen. Andere würden darüber hinwegsehen, doch weiß ich zufällig, dass Ms. Sokolov ihre Doktorarbeit über dieses russische Genie geschrieben hat.
    Sokolov : »Ähm, ja … ich muss jetzt aber wirklich …«
    Moorhead : »Auf dem College habe ich Fahles Feuer gelesen. Das ist doch auch von ihm, oder?«

    ( Das Geräusch einer sich öffnenden Tür. Leiser werdende Stimmen .)
    Moorhead : »Ich fand es … absolut fantastisch!«
    Sokolov : »Hm.«
    Moorhead : »Also das hat mich damals echt umgehauen!«
    Und du kannst echt Frauen verjagen, alte Schwuchtel!, denke ich.
    »Was ist denn so komisch, Oliver?«
    In diesem Moment wird mir bewusst, dass ich laut gelacht habe.
    Moorhead starrt mich von der leeren Tafel aus an. »Entschuldige meine Verwunderung. Aber ich bin es nun mal nicht gewohnt, dass Schüler sich so prächtig amüsieren, während ich eine allzu realistische antiutopische Gesellschaft schildere, in der Bücher verboten sind und frei denkende Menschen bestraft …«
    Wieder lache ich laut auf und klatsche infantil in die Hände. Sein Blick verhärtet sich. Polly Quattlebaums Mondgesicht wirft mir einen tadelnden Blick zu.
    Ich

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