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Ich bin eine Nomadin

Ich bin eine Nomadin

Titel: Ich bin eine Nomadin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayaan Hirsi Ali
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lehren, weil der erbitterte Widerstand des lokalen Klerus und der politischen Elite ihre Bemühungen zusehends erschwerte. Kurzum, die muslimischen Massen sind derzeit von allen anderen Religionen abgeschnitten.

    Um dies zu ändern, schwebt mir eine Art spiritueller Wettbewerb vor. Folgende Frage stellte ich Pater Bodar in Rom: Wenn Saudi-Arabien Millionen Dollar in Medressen und systematische Missionierung investiert und sich dabei sämtliche freiheitliche Errungenschaften im Westen zunutze macht, warum sollte dann nicht die katholische Kirche mit ihren finanziellen Ressourcen und ihren Millionen treuen Anhängern dasselbe tun?
    Ich hoffe, dass meine Freunde Richard Dawkins, Sam Harris und Christopher Hitchens – das geschätzte Dreigestirn militanter Atheisten in Großbritannien und den Vereinigten Staaten – nicht entsetzt sind über die Idee einer strategischen Allianz zwischen säkularen Menschen und Christen, einschließlich der katholischen Kirche. Ich gebe zu, dass der Gedanke ein wenig paradox ist. Jahrhundertelang sahen die Verfechter der wissenschaftlichen Revolution und der Aufklärung den Vatikan als ihren Erzfeind an. Die Kirche verfolgte alle, die sie als Ketzer verurteilte, und ließ unzählige Menschen hinrichten. Meine atheistischen Freunde weisen zu Recht darauf hin, dass viele Christen nur wegen der beharrlichen Kritik der Freidenker von einer wörtlichen Auslegung der Bibel abgerückt sind. Und es stimmt natürlich, dass auch die jüdisch-christliche Tradition etliche frauenfeindliche Elemente enthält. Der Apostel Paulus schreibt oft genug voller Geringschätzung über Frauen.
    Aber die heutige katholische Kirche ist eine völlig andere, eine tolerantere Einrichtung. Man muss den heutigen Christen zugutehalten, dass sie zumindest einen Teil der Kritikpunkte akzeptiert haben, die von den Denkern der Aufklärung vorgebracht wurden. Eben diese Offenheit für Kritik unterscheidet das Christentum vom Islam.
    Und die Christenheit wird heutzutage nicht mehr wie einst von erbitterten, sektiererischen Konflikten erschüttert, die auf die Zeit der Reformation zurückgingen. Heute pflegen die katholische Kirche und die wichtigsten protestantischen Konfessionen wie Anglikaner und Lutheraner, Episkopale und Presbyterianer, Unitarier und Universalisten einen friedlichen Umgang miteinander. Im größten Teil der westlichen Welt lässt man sich gegenseitig in Ruhe oder pflegt gute ökumenische Beziehungen. Schließlich haben die christlichen Kirchen die jahrhundertelange Geschichte des Antisemitismus überwunden, die ihr Ansehen so sehr befleckte.
    Gewiss vertritt die katholische Kirche bei vielen Themen Standpunkte, denen ich wie die meisten Liberalen nicht zustimmen kann. In Fragen wie Abtreibung, Geburtenkontrolle und Frauen im Priesteramt bestehen in der westlichen Welt tiefe Gräben. Viele amerikanische Protestanten und Katholiken lehnen Abtreibung aus tiefer Überzeugung ab – das ist ein polarisierendes Thema, vor allem in den Vereinigten Staaten. Aber all diese Unterschiede sind Gegenstand von Diskussionen, nicht von Kriegen. Innerhalb der westlichen Gesellschaften spielen sich diese Debatten, so erbittert sie geführt werden mögen, in einem friedlichen, wenn auch gelegentlich hitzigen Meinungsaustausch ab. Die vereinzelten Fanatiker, die eine Abtreibungsklinik in die Luft sprengen oder einen Arzt ermorden, der Frauen eine legale medizinische Versorgung bietet, sind Ausnahmen von der Regel.
    Der Zusammenprall von Islam und Westen hingegen ist anders. Die Vertreter des radikalen Islam setzen alle ihnen zu Gebote stehenden Mittel ein, um den Westen zu besiegen. Und auch wenn unsere Aufmerksamkeit fast ganz von den Muslimen vereinnahmt wird, die sich bereitwillig im Namen ihrer Religion in die Luft sprengen, dürfen wir nicht die subtilere Kampagne für Missionierung und Radikalisierung außer Acht lassen. Viel zu lange schon hat sich der Westen zurückgelehnt und es dem Islam überlassen, auf Menschen zuzugehen, die für eine Bekehrung offen sind. Manchmal kommt es mir so vor, als wären die Juden, die wegen ihrer Kontakte zum Staat Israel stärker den Machenschaften des radikalen Islam ausgesetzt sind, die Einzigen im Westen, die das wirklich erkannt haben.

    Sehen wir uns einmal die Einrichtungen der Aufklärung an: die Schulen und Universitäten, die in der ganzen westlichen Welt nach säkularen Grundsätzen gegründet wurden. Um die Werte der Aufklärung vor dem Einsickern islamistischen

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