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Ich habe einen Namen: Roman

Ich habe einen Namen: Roman

Titel: Ich habe einen Namen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Hill
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Gefangenen vor mir, sah die nässenden Wunden
an ihren Füßen und hörte das Stöhnen auf ihren Lippen. Ein weißer Mann wurde
zur Lucretia herübergerudert und von uns an Bord gelassen.
    Clarkson schüttelte ihm
die Hand und tauschte Höflichkeiten und Waren mit ihm. Der Lieutenant gab drei
Fass Trockenfleisch und bekam dafür Wasser und Orangen, und die beiden
schüttelten sich erneut die Hände, als wären sie Freunde. Als der Mann zu
seinem Schiff zurückgerudert wurde, sah Clarkson, wie ich ihn anstarrte.
    »Es ist das Beste, ein
herzliches Verhältnis mit dem Feind zu unterhalten«, sagte er.
    »Warum haben Sie das
Schiff fahren lassen?«, fragte Peters.
    »Mr Peters, ich habe
diese Dinge nicht in der Hand.«
    »Sie dulden den
Menschenhandel.«
    »Ich habe Wasser und
Orangen von ihnen bekommen, Dinge, die Sie und Ihre Mitreisenden unbedingt
brauchen«, sagte Clarkson. »Haben Sie gedacht, ich habe die Vorräte für meinen
Eigenbedarf an Bord genommen?«
    »Warum haben Sie das
Schiff nicht aufgehalten?«
    »Mr Peters, wir
befinden uns hier nicht auf einem Kriegsschiff. Sehen Sie Kanonen oder Soldaten
mit Musketen? Alles in mir verabscheut den Handel mit Sklaven, aber wir müssen
uns unsere Schlachtfelder aussuchen. Wir sind hergekommen, um eine freie
Kolonie zu gründen, nicht um einen Krieg mit den Sklavenhändlern anzufangen.«
    Ich hatte noch nicht
einmal einen Fuß auf die Erde des Landes gesetzt und sah doch schon, dass hier
nichts einfach sein würde. Ich bewunderte Peters dafür, so gegen den
Sklavenhandel einzutreten, glaubte im Moment aber eher, dass Clarkson recht
hatte. Ich hatte gelernt, dass es Zeiten gab, in denen es unmöglich war zu
kämpfen und in denen man besser abwartete und lernte. Als Erstes mussten wir
von unseren Schiffen herunter, Hütten bauen und Essen finden.
    An diesem Abend sah ich
von der Lucretia dunkle Wolken über die Berge heranrollen. Der Himmel wurde schwarz und
sternenlos. Blitze schnitten durch die Wolken, erleuchteten die Schiffe im
Hafen und schickten Donnerkrachen über die Bucht. Aus den Höhlen der Berge
schlug das Krachen zurück zu uns und hallte wie nicht enden wollendes
Kanonenfeuer durch die Nacht. Viele auf dem Schiff waren voller Angst, aber ich
hatte diese Unwetter nicht vergessen, auch nach all den Jahren nicht, und
wusste, sie würden vorüberziehen.
    Am dritten
Tag unter der sengenden Sonne wurde klar, dass die Sierra Leone Company keinen
Plan hatte, wie sie uns von den Schiffen bringen sollte. Mit nur einem
Ruderboot pro Schiff würde es eine Ewigkeit dauern, tausend Passagiere und ihre
Habe an Land zu transportieren. Während ich mit den anderen an Deck stand und
das Gefühl hatte, dass die Lucretia weniger ein Schiff in die Freiheit als
ein Gefängnis auf See war, sah ich ein mächtiges Kanu mit sechzehn Ruderern auf
uns zusteuern, in dem ein Heimatländer auf einem majestätischen englischen
Stuhl saß. Hinter ihm hockte ein Steuermann und vor ihm ein Trommler. Wir
hörten den Rhythmus der Trommel über das Wasser schallen, bevor wir die
Gesichter der Männer erkennen konnten. König Jimmy kam, um John Clarkson seine
Achtung zu erweisen, der seinen Seeleuten befahl, zwanzig Gewehrschüsse Salut
zu schießen, und sagte, wir sollten den Häuptling mit »Seine Exzellenz«
anreden.
    »Niemals«, murmelte
Peters.
    Thomas Peters stand
aufrecht neben John Clarkson oben an der Leiter, aber der Häuptling übersah ihn
und streckte die Hände aus, um Clarkson zu umarmen. König Jimmy begrüßte die
weißen Soldaten auf Englisch, schüttelte ihnen die Hände und weigerte sich
zunächst, die Schwarzen an Bord auch nur wahrzunehmen. Er schenkte Clarkson
fünfzehn Ananas und einen Elefantenzahn und bekam seinerseits ein Fässchen
unverdünnten Rum.
    Endlich sah er mich an
und fragte den Lieutenant: »Ihre Geliebte?«
    »Ich bin alt genug, um
seine Mutter zu sein«, sagte ich.
    König Jimmy lachte
wiehernd, bewegte sich auf die Neuschottländer an Deck zu und sagte: »König
John Clarkson viele Diener.«
    Thomas Peters erhob die
Stimme. »Wir sind Neuschottländer, und wir kommen als Gleiche.«
    Der Häuptling der Temne
ignorierte ihn. Er wandte sich Clarkson zu, deutete auf mich und sagte: »Sie
die, von der Sie mir erzählen? Die Afrikanerin mit mehr Büchern im Kopf als
alle Engländer?«
    John Clarkson legte die
Stirn in Falten. Ich konnte sehen, wie wenig es ihm gefiel, dass sich König
Jimmy über mich lustig machte.
    König Jimmy musterte
mich von oben bis

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