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Ich habe sieben Leben: Die Geschichte des Ernesto Guevara, genannt Che (German Edition)

Ich habe sieben Leben: Die Geschichte des Ernesto Guevara, genannt Che (German Edition)

Titel: Ich habe sieben Leben: Die Geschichte des Ernesto Guevara, genannt Che (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Hetmann
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zu, wie die großen Bananenfrachter beladen werden, beobachten das Hin und Her der Fähren und Schlepper und das Eintreffen der aus dem Norden herabtreibenden Flöße.
    Südamerika könnte reich sein!
    In den Straßen drängeln sich zerlumpte, ausgemergelte Menschen, stunden-, tagelang in Apathie versunken, dann plötzlich zu einem Ausbruch der Leidenschaften hingerissen, der vergeht, verdampft wie der Regen unter der Mittagssonne.
    »Ihre Energie«, so schreibt Rojo, »diente nur dazu, die kreolischen Demagogen emporzuheben, die sie dann, im Besitz der Macht, verrieten.« Manchmal in den Nächten, wenn Ernesto, von Laken umflattert, auf den morschen Dielen ausgestreckt daliegt und nicht einschlafen kann, fragt er sich, worauf all dieses herumreisen hinaus läuft.
    Er spürt einen Anspruch hinter all den Bildern, Fakten und politischen Ereignissen, die er mit angesehen hat. Rückständigkeit, Machtgier, Ausbeutung, Gewalt, Revolutionen, gewiss. Hier eine Revolution, dort eine Revolte. Eigentlich sind es immer nur Putschs; Schläge, die ausgeteilt werden, um sich den Weg zur Macht frei zu boxen, und wenn einer die Macht an sich gebracht hat, bereichert er sich genauso rücksichtslos wie sein Vorgänger.
    Wie hat er zu Rojo gesagt, als sie Haya de la Torre in seinem diplomatischen Asyl in Lima besuchten und durch die umliegenden Straßen ständig Lastwagen voller Soldaten und Panzer patrouillierten? Er sagte: »Warum fürchten sie ihn so? Er ist doch wie all die anderen...«
    Etwas ändern könnte nur jemand, der nicht wäre wie die anderen.
    Tagsüber wird Ernesto immer schweigsamer. Immer häufiger fühlt er sich von dem Gefühl heimgesucht, nicht mehr viel Zeit zu haben, Zeit zu verschwenden, etwas tun zu müssen.
    Reale Dinge nehmen für eine Weile sein Interesse vollständig in Anspruch. Die Finanzlage der Freunde ist prekär geworden. Wenn sie Weiterreisen wollen (wohin auch immer!), müssen sie die wenigen Kleider, die sie noch besitzen, verkaufen. In armen Ländern verkauft man Kleider auf der Straße. Aber in Guayaquil können sie ihre Kleidungsstücke nicht loswerden, denn es sind Kleider für ein kühles Klima. Darum fährt einer der Freunde in die 2800 Meter hoch gelegene Hauptstadt Quito, um dort die abgetragenen Anzüge und, als Luxusstück von Rojo, einen in La Paz erstandenen Mantel aus Vigogne-Wolle zu verhökern.
    Guevara gibt dem Reisenden alles mit, was er entbehren kann. Er behält lediglich ein Hemd, eine Hose und eine Sportjacke mit ausgebeulten Taschen, in denen er seine gesamte Habe, die nur aus einem Asthmaapparat und ein paar Bananen besteht, unterbringen kann.
    Bei dem kolumbianischen Botschafter werden sie wegen eines Touristenvisum nach Bogotá vorstellig.
    Aber in Kolumbien herrschen Unruhen. Ein General Pinilla hat das ultrakonservative Regime des Laureano Gómez gestürzt. In einer Talschaft haben angeblich 25.000 Bauernguerilleros eine Armee-Einheit eingeschlossen. Kapitulationsverhandlungen sind im Gange. Die Bauern verlangen, dass die Offiziere die schon vollzogene Besitznahme von Grundstücken anerkennen.
    Der Botschafter meint, es nicht verantworten zu können, Fremde durch ein Gebiet ziehen zu lassen, in dem praktisch Kriegszustand herrscht. Der Plan einer Reise durch Kolumbien wird fallengelassen.
    Rojo besinnt sich auf ein Empfehlungsschreiben, das ihm der chilenische Sozialistenführer Salvador Allende an einen sozialistischen Rechtsanwalt in Guayani mitgegeben hat.
    Rojo und Guevara suchen den Mann auf. Er zeigt sich durchaus zu sozialistischer Solidarität gesonnen, als er die beiden abgerissenen Gestalten in seinem Büro vor sich sieht, ist aber dann doch etwas bestürzt, als er hört, dass er Mitfahrgelegenheiten für sechs Personen beschaffen soll.
    Schließlich treibt er Fahrkarten für Frachter der United Fruit Company auf. Die einzige Bedingung ist, dass die Freunde nicht auf dem gleichen Schiff fahren, sondern sich auf mehrere, im Abstand von einigen Tagen auslaufende Dampfer verteilen müssen.
    Ernesto überlegt, was er tun soll. Rojo sagt zu ihm: »Was willst du in Venezuela? Das ist ein Land, in das man reist, um Geld zu machen. Komm mit nach Guatemala. Dort wirst du endlich eine entschiedene sozialistische Revolution zu sehen bekommen.«
    Der Plan sieht vor, dass sie sich in Panama treffen und dann gemeinsam nach Guatemala reisen wollen.
    In Venezuela erhält Alberto Granados folgende lakonische Nachricht: »Petiso, ich gehe nach Guatemala. Ich schreibe später.

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