Ich kann dich sehen: Thriller (German Edition)
stand kurz davor, ihren Vater zu verlieren, ein gewalttätiger Mann bedrohte sie, und sie konnte nichts dagegen tun. Aber Prescott and Weeks war ihr Unternehmen. Es war alles, was sie noch hatte. Sie würde nicht zulassen, dass Kelly für sie entschied. Sie drehte sich herum.
»Das wird es nicht retten. Er tut so, als wäre das die Rettung, aber das ist es nicht. Du übernimmst einen Job, damit ich mich nicht aufrege. So geht das nicht. Du triffst keine Entscheidungen für mich, das ist nicht meine Art, und das weißt du. Verdammt noch mal, das weißt du genau.« Sie holte tief Luft. »Kelly, wir haben Zeit. Wir müssen nicht das erstbeste Angebot annehmen. Wir sollten abwarten.«
»Du bist nicht in der Lage, so eine Entscheidung zu treffen.«
Sie richtete sich zornig auf. Kelly hatte bereits entschieden und wollte, dass Liv sich fügte. »Und wie kommst du darauf, dass du das darfst? Du bist viel zu vorsichtig. Immer schon. Du ergreifst die erstbeste Gelegenheit, weil du Angst hast. Hier geht es also um dich, nicht um mich.«
Kelly stand auf, ihr sorgenvoller Gesichtsausdruck verwandelte sich in Empörung. »Gut, entschuldige, aber ich habe kein zweistöckiges Haus, das ich verkaufen kann, um meine Schulden zu bezahlen. Jason und ich haben noch ein Darlehen abzuzahlen, und wir versuchen irgendwie über die Runden zu kommen, seit du und ich uns das Honorar gekürzt haben. Ich versuche, es dir recht zu machen. Toby hat mir ein gutes Gehalt angeboten. Ich könnte noch warten, bis ich was Festes bekomme, und wir könnten so lange sehen, wie es läuft, aber es wäre meiner Familie gegenüber nicht fair, dass sie weiter Opfer bringen muss, wenn ich die Chance habe, uns voranzubringen.«
Liv blinzelte. Dachte Kelly so darüber? Dass sie nach Thomas’ Betrug noch mit einem blauen Auge davongekommen war? Und seit wann mussten Kelly und Jason sparen? Liv hätte ihnen angeboten, nur ihr eigenes Honorar zu kürzen, wenn sie von den Problemen gewusst hätte. Sie hätten sich etwas einfallen lassen können und offen zueinander sein müssen. Entscheidungen musste man gemeinsam treffen. »Sag Toby, dass er warten soll. Wir müssen erst einmal sehen, was es sonst noch so gibt.«
»Er will morgen eine Entscheidung von mir.«
Liv lief am Fenster entlang, ein Schrei bahnte sich seinen Weg in ihre Kehle. Sie unterdrückte ihn. »Kelly, tu das nicht. Bitte.« Sie versuchte ruhig und vernünftig zu klingen.
»Das ist unsere beste Chance.«
Es würde nicht funktionieren, Liv wusste das. Sie wollte kein Geschäft alleine führen. Sie wollte ihr gemeinsames Büro nicht verlassen. Sie wollte nicht von dem verdammten Reihenhaus aus arbeiten und riskieren, dass Prescott and Weeks genauso scheiterte wie alles andere in ihrem Leben in den letzten zwölf Monaten. »Herrgott, Kelly, ich hätte nicht gedacht, dass du mich auch verletzen würdest. Nicht du.«
Liv lief durch den Supermarkt. Sie brauchte Frühstücksflocken, Milch und Vitaminsnacks für Camerons Schulbrot. Morgen kam er wieder zu ihr. Endlich! Sie hatte eine schlimme Woche hinter sich. Grauenvoll. Die schlimmste überhaupt. Aber nächste Woche würde es besser laufen.
Sie brauchte Spaghettisoße und Hackfleisch – Cam liebte Spaghetti. Sie war förmlich aus dem Haus gestürzt, bevor etwas zu Bruch gegangen wäre oder sie ein Fenster eingeschlagen hätte. Kelly, verdammt noch mal! Sie blieb in einem Gang mit Keksen stehen, starrte die Packungen an, fand aber nichts. Was sie gerne gehabt hätte, gab es nicht zu kaufen. Das gab es nicht in Plastik verpackt mit Strichcode, der an der Kasse piepste.
Sie pfefferte Schokolade, Käse und Waschpulver in den Einkaufswagen und dachte an ihre lange Wunschliste.
Einen fetten neuen Kunden. Nein, eine Million Dollar. Das hätte alles gerichtet.
Sie wollte, dass das Schwein aus dem Parkhaus von einem Bus erfasst wurde.
Sie wollte, dass Thomas von der Erdoberfläche verschwand und Michelle sich in Rauch auflöste.
Sie wollte, dass Cameron für immer bei ihr wohnte.
Und dass ihr Dad wieder gesund wurde.
Herrgott, Liv, nicht weinen. Nicht hier. Reiß dich zusammen. Bleib auf den Beinen.
Sie schaffte es. Sie lief die Gänge rauf und runter, dann zum Auto und fuhr nach Hause, trug die Tüten in die Küche und packte sie aus. Sie riss sich zusammen und zwang sich, an nichts zu denken. Bis ihr eine Flasche Mineralwasser aus den Händen rutschte und auf dem Boden zerschlug.
Sie hatte zwei Flaschen Mineralwasser gekauft. Die eine stand
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