Ich, Nojoud, zehn Jahre, geschieden
sich seine Mahlzeit auf dem
sofrah
servieren, aber er half nie beim Abräumen. Wenn ich hörte, dass er kam, spürte ich die immergleiche Furcht in meinem Herzen.
Wenn es dunkel wurde, wusste ich, dass es wieder losgehen würde. Wieder und wieder. Dieselben Schikanen. Derselbe Schmerz. Dieselbe Verzweiflung. Die zuknallende Tür, die Öllampe, die über den Boden rollt, die zerknitterten Leinentücher.
Ya beint!
–
Hey, Mädchen!
– rief er mir brutal zu, bevor er sich auf mich stürzte. Er nannte mich nie beim Vornamen.
Ab dem dritten Tag begann er, mich zu schlagen. Er konnte es nicht ertragen, dass ich es wagte, mich gegen ihn aufzulehnen. Als ich versuchte, ihn davon abzuhalten, sich neben mich auf die Matte zu legen, wenn das Licht erloschen war, fing er an, auf mich einzuprügeln. Zuerst mit den Händen. Dann mit einem Stock. Der Donner, der Blitz, wieder und wieder. Seine Mutter ermunterte ihn noch.
»Schlag fester zu! Sie soll auf dich hören! Sie ist deine Frau!«, hämmerte sie ihm mit ihrer rauhen Stimme ein, als er sich über mich beklagte.
»Ya beint!«,
schrie er noch lauter und rannte mir hinterher.
»Das dürfen Sie nicht!«, stöhnte ich.
»Du gehst mir auf die Nerven mit deinem Gejammer. Ich habe dich nicht geheiratet, um mir dein andauerndes Geheule anzuhören!«, brüllte er dann und bleckte seine riesigen gelblichen Zähne.
Es tat mir weh, dass er in diesem Ton mit mir sprach. Er machte mich vor allen lächerlich. Er war verächtlich. Ich lebte in der ständigen Angst vor neuen Stockhieben und Ohrfeigen. Es kam sogar vor, dass er mir Fausthiebe gab. Täglich tauchten neue blaue Flecken auf meinem Rücken, neue Blutergüsse an meinen Armen auf. Und dieses kneifende Brennen im Bauch. Mein ganzer Körper fühlte sich dreckig an. Wenn die Nachbarinnen zu meiner Schwiegermutter zu Besuch kamen, hörte ich, wie sie miteinander tuschelten und zuweilen auf mich deuteten. Was erzählten sie sich wohl?
Sobald ich konnte, verkroch ich mich verloren und hilflos in eine Ecke. Ich klapperte mit den Zähnen und dachte an die Nacht, die mir bevorstand. Ich war allein, ganz allein. Ich konnte mich niemandem anvertrauen, mit niemandem reden. Ich hasste dieses Monster! Ich hasste sie zutiefst! Sie widerten mich alle an! Mussten alle verheirateten Mädchen dieselben Qualen durchmachen? Oder war ich die Einzige, die diese Folter über sich ergehen lassen musste? Ich empfand nichts für diesen Fremden. Empfanden meine Eltern etwas füreinander? Erst durch ihn begriff ich den wahren Sinn des Wortes »Grausamkeit«.
So vergingen Tage und Nächte. Zehn, zwanzig, dreißig? Ich weiß nicht mehr genau. Abends brauchte ich immer länger zum Einschlafen. Nachts, immer wenn er kam und seine ekligen Dinge mit mir machte, konnte ich danach keinen Schlaf mehr finden. Tagsüber dämmerte ich vor mich hin. Verloren. Zerschlagen. Nichts zu machen, ich verlor allmählich das Zeitgefühl. Ich vermisste Sanaa. Die Schule vermisste ich auch. Und meine Brüder und Schwestern: Abdos ewige Akrobatenkunststücke, Morads dumme Späße, Monas Scherze, wenn sie einen guten Tag hatte, die Abzählverse der kleinen Rawdha. Ich dachte immer öfter an Haïfa und hoffte, dass man sie nicht auch noch verheiraten würde. Im Laufe der Zeit begann ich sogar, ihre Gesichtszüge zu vergessen. Mir fiel es schwer, mich an die Farbe ihrer Haut, die Form ihrer Nase, die Einkerbung ihrer Grübchen zu erinnern. Ich musste unbedingt bald wieder zurück, um sie zu sehen!
Jeden Morgen schluchzte ich und flehte, man möge mich zu meinen Eltern zurückschicken. Ich hatte keine Möglichkeit, sie anzurufen. In Khardji gab es keinen elektrischen Strom. Telefon schon gar nicht. Hier sah man kein Flugzeug am Himmel vorbeiziehen, gab es keine Busse, keine Autos. Ich hätte ihnen einen Brief schicken können, doch abgesehen von meinem Vornamen und einigen ganz einfachen Wörtern konnte ich nicht viel schreiben. Ich musste also nach Sanaa zurückfahren. Um jeden Preis. Ich wollte nach Sanaa zurück!
Sollte ich fortlaufen? Ich hatte schon öfter daran gedacht. Aber wohin? Im Dorf kannte ich niemanden. Da war es schwierig für mich, bei jemandem Zuflucht zu suchen oder einen Durchreisenden anzuflehen, mich auf seinem Esel mitzunehmen und zu retten. Khardji, mein Heimatdorf, hatte sich in ein Gefängnis verwandelt.
Eines Morgens hatte er es satt, mein Weinen anzuhören, und teilte mir mit, er würde mir einen Besuch bei meinen Eltern erlauben. Endlich! Er
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