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Ich schau dir zu: Roman (German Edition)

Ich schau dir zu: Roman (German Edition)

Titel: Ich schau dir zu: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paule Angélique
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beim Spiel waren ein wenig verschwommen und verhießen mehr, als sie enthüllten. Beim Heranzoomen hatte er jedoch in diesen Einstellungen ohne Gesicht einige Details aufnehmen können, die plötzlich sehr eindeutig waren.
    Harry gestand mir keine Intimsphäre zu. Selbst der Zufall spielte mit, entwickelte sich zu seinen Gunsten, ermöglichte ihm, mich bei allem, was ich tat, bis hin zu den kleinsten Bewegungen zu beobachten. Unter diesen Umständen erregte ihn der Voyeurismus noch mehr. Ich habe Anne Solé nie wiedergesehen.



 
     
    S eit einiger Zeit malte ich sehr gern Landschaften. Bei Personen hatte ich eine Blockade. Es waren keine Porträts, sondern Körper ohne Gesicht, Konturen ohne Zusammenhang, Gestalten, die ursprünglich sein sollten. Ich malte ihr Fleisch, ihre Nacktheit, in gewisser Weise ihre Rohheit. Die Malhemmung ging einher mit der Loslösung meines Körpers von Harrys Körper. Geistig hatte ich mich ihm schließlich entzogen und konnte nicht an einem Thema weiterarbeiten, auf das ich keinen inneren Zugriff mehr hatte. Harry zweifelte nicht daran, dass ich zwangsläufig eine neue Richtung einschlagen würde. Was ich damals malte, befriedigte mich nicht. Ich entledigte mich unzähliger Bilder, griff wieder andere Motive auf, die aber immer unvollendet blieben. Besorgt um meinen Zustand, machte Harry den Vorschlag, ein paar Tage in einem Landhaus zu verbringen, das uns gute Freunde – sie Fotografin, er Journalist – gern zur Verfügung stellten. Auch ein Atelier und ein Arbeitszimmer im Anbau neben dem Haupthaus könnten wir nutzen. Es war ein Anwesen aus dem neunzehnten Jahrhundert aus weißem Stein, geschmackvoll restauriert. Man gelangte über einen Weg von etwa einem Kilometer dorthin, wo Obstgärten und Weiden über einem stillen Tal lagen. Harry konnte mich davon überzeugen, dass die abgelegene Landschaft und der Ort mir neuen Mut und Inspiration schenken würden. Ich packte Zeichenblöcke, Leinwand, Kohlestifte und Farben ein. Harry wollte währenddessen einer Veröffentlichung, die bald in Druck gehen sollte, den letzten Schliff geben sowie Manuskripte potenzieller neuer Autoren lesen. Byron wäre natürlich mit von der Partie. Ich war Harry dankbar, dass er für mein Arbeitsproblem eine Lösung suchte, bei der wir zugleich echte Zweisamkeit teilen konnten.
    Die ersten beiden Tage faulenzten wir. Wir machten es uns vor dem Kamin bequem, blätterten in Zeitschriften, sahen uns alte Filme an – unsere Freunde waren leidenschaftliche Sammler –, wir kochten, egal, zu welcher Uhrzeit, nachdem wir über den Markt geschlendert waren und tonnenweise Lebensmittel gekauft hatten. So viel, dass wir einen guten Teil davon in den Keller bringen mussten, einen riesigen Gewölbekeller, der nur ein Oberlicht hatte und in dem es kühl genug war, um Wein zu lagern. Nach dieser Eingewöhnungszeit trennten wir uns tagsüber, angeregt von ausgefeilten Problemlösungsstrategien, die ein jeder von uns für unumgänglich erklärte. Harry hatte das Arbeitszimmer bereits bezogen. Mit dem Zeichenblock in der Tasche marschierte ich von Sonnenaufgang bis zum späten Vormittag durch die ländliche Umgebung. Und wie ich freute sich auch Byron über seine neu gewonnene Freiheit. Dann ging ich ins Atelier, um meine Skizzen auf die Leinwand zu übertragen. Alles schien perfekt organisiert zu sein. Manchmal spitzte ich die Ohren und lauschte auf Harrys Bewegungen hinter der Wand. Durch die dicke Mauer bekam ich keinerlei Hinweise, aber es gefiel mir, ihn so nah zu wissen.
    Eines Morgens fuhr ein Kombi auf dem Hof vor. Ein Mann stieg aus. Die Hauseigentümer hatten vergessen, uns zu sagen, dass Pierre Ayme kommen würde. Am Ende des Winters kümmerte er sich immer um das Anwesen. Er entfernte Gestrüpp, beschnitt die zahlreichen Bäume und Rosensträucher und säuberte das Wasserbecken. Natürlich luden wir ihn zu einem Glas Wein ein. Der Landschaftsgärtner kannte sich in der Umgebung bestens aus, er war hier geboren und hatte sich im Umkreis von mehreren Kilometern einen Ruf als Genie seines Fachs erworben. Wenn es ihm an Aufträgen fehle, sagte er uns, übernehme er auch weniger lohnende Aufgaben. Er kam jeden Morgen. Nachdem ich ihn zuvor um Erlaubnis gefragt hatte, sah ich ihm in meinen angeblichen Pausen gern bei der Arbeit zu. Er hatte kräftige und ausgesprochen geschickte Hände, er ließ den Obstbäumen chirurgische Genauigkeit angedeihen, indem er die Äste abstützte, bevor er den Schnitt ansetzte und

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