Ich sehe was, was du nicht siehst
»muss Damon ärztlich untersucht werden, um zu beweisen, dass er die Lähmung vortäuscht. Damit wäre sein Hauptalibi hinfällig, und wir könnten von da aus weiter ermitteln.«
Nun war es Hamilton, der leicht rot wurde und verlegen hin- und herrutschte. »Ich fürchte, das ist nicht möglich.«
»Warum nicht?«, fragten Pierce und Logan gleichzeitig.
»Ich habe McKinley von meinen Männern beschatten lassen, als er mit seinem Transporter wegfuhr. Aber er muss bemerkt haben, dass er verfolgt wurde, und hat meine Männer abgeschüttelt. Ich weiß nicht, wo sich Damon McKinley zurzeit aufhält.«
Madison rieb sich mit den Händen über die Arme und ging ruhelos in Pierce’ Schlafzimmer auf und ab. Sie waren zur Pension zurückgefahren, denn Pierce wollte wegen der laufenden Ermittlungen und der Suche nach Damon lieber in der Nähe des Police Departments bleiben.
Er lag auf dem Bett und beobachtete sie ruhig. Der Scheck in ihrem BH schien eine Tonne zu wiegen und erinnerte sie an die Lüge, die sie ihm aufgetischt hatte.
Was ihr ins Gedächtnis rief, dass sie eine Entscheidung treffen musste.
»Hamilton hat alle Anschuldigungen gegen dich fallen lassen«, sagte er. »Eigentlich müsstest du erleichtert sein.«
»Ich weiß. Das bin ich auch. Aber …«
»Aber du machst dir immer noch Sorgen wegen Damon. Ich werde nicht zulassen, dass er dir wehtut.«
Sie blieb am Fußende des Bettes stehen und stemmte die Arme in die Hüften. »Du bist vielleicht hochgewachsen, dunkelhaarig und gut aussehend, aber du bist nicht Superman. Du blutest, wenn man dich verletzt. Du bist sterblich.«
Er glitt vom Bett, trat zu ihr und legte ihr die Arme um die Schultern. »Ich bin vielleicht kein Superheld, aber Damon ist auch kein Superschurke. Er ist auch nur ein Mensch. Ich werde die nötigen Beweise finden, um ihn für lange Zeit einzusperren. Ich bin gut in meinem Job. Ich werde ihn hinter Gitter bringen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Du verstehst das nicht. Er ist hinterhältig und raffiniert und er … er ist völlig skrupellos. Du hast gehört, was der Lieutenant nach Logans Anruf gesagt hat: Er hat immer noch nicht genügend Beweise, um ihn vor ein Geschworenengericht zu bringen. Er kann nichts tun.«
»Er kann
jetzt
noch nichts tun. Aber Casey arbeitet an dem Fall und versucht, Beweise zu finden. Und Hamilton ermittelt ebenfalls weiter. Es ist nur eine Frage der Zeit.«
Sie schüttelte seine Hände ab und begann wieder damit, auf und ab zu gehen. Sie schlang die Arme um ihre Körpermitte und sah ihn an. »Kannst du mir versprechen – kannst du mir schwören, dass du ganz sicher genug Beweismaterial zusammenbekommst, um ihn einzusperren? Kannst du mir versichern, dass er für den Mord an meinem Vater bezahlen wird? Und dass er weder meiner Familie noch dir etwas antun wird?« Beim letzten Satz kippte ihre Stimme.
»Du weißt, dass ich dir das nicht versprechen kann. Aber wenn du mich fragst, ob ich es für möglich halte, genügend Beweismaterial zu sammeln, um Damon wegzusperren, dann lautet meine Antwort Ja. Ja, absolut. Bin ich mir hundertprozentig sicher? Würde ich mein Leben darauf verwetten?« Er schüttelte den Kopf. »Nein. Aber ich verspreche, mein Bestes zu tun, und ich beschütze dich.«
»Aber was ist mit meiner Mutter und ihrem Mann? Amanda? Logan? Was ist mit
dir
? Wie willst du sie alle schützen, wenn Damon frei herumläuft?«
Er musterte sie besorgt. »Ich habe dich noch nie so nervös erlebt. Was geht hier vor?«
Madison kniff die Augen fest zusammen, aber trotzdem rollte ihr eine Träne über die Wange. Sie weinte fast nie, doch in den letzten vierundzwanzig Stunden schien sie sich nicht beherrschen zu können. Sie hatte solche Angst und fürchtete so sehr um ihre Familie und um Pierce.
»Ach, meine Süße. Jetzt wein doch nicht.« Er zog sie an sich und umarmte sie fest.
Sie klammerte sich an ihn und unterdrückte mit aller Kraft die aufsteigenden Tränen, während sie den tröstenden Geruch seines Aftershaves einatmete und die Wärme genoss, die sein Körper ausstrahlte. Sie liebte ihn. Das wusste sie plötzlich mit überraschender Klarheit. Nach all den Monaten, den Zweifeln und den Befürchtungen, ihren Gefühlen nicht trauen zu können … waren die Zweifel auf einmal verschwunden.
Sie liebte ihn nicht nur, sie wusste auch ohne jeden Zweifel, dass sie ihn immer lieben würde. Das hier war nicht das kurzlebige Strohfeuer, das in ihr entflammt war, als sie Damon kennengelernt hatte. Ihre
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