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Ich Töte

Ich Töte

Titel: Ich Töte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Faletti
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Augenblick lang sah Helena aus dem Fenster. Ihre Worte waren eine Reise, die sich gerade irgendwie ihrem Ende zuneigte.
    »Meine Schwester Arijane hat es geschafft, stärker zu sein als ich. Sie hat alles begriffen und ist weggegangen, sie ist vor dem Wahnsinn unseres Vaters geflüchtet. Oder wahrscheinlich hat sie ihn nicht genügend interessiert, um von ihm in dasselbe Gefängnis wie ich gesperrt zu werden. Ich konnte nicht fliehen …«
    »Ist es wegen Ihres Sohnes?«
    Helena verbarg den Kopf in ihren Händen. Ihre Stimme klang gedämpft zwischen den schützenden Fingern, die ihr Gesicht in ihren kleinen Käfig aus Schmerz einschlossen.
    »Er ist nicht mein Sohn.«
    »Er ist nicht Ihr Sohn?«
    »Nein, er ist mein Bruder.«
    »Ihr Bruder? Aber Sie haben doch gesagt …«
    Helena hob das Gesicht. Niemand konnte all diesen Schmerz in sich tragen, ohne zu sterben, ohne schon längst gestorben zu sein.
    »Ich habe Ihnen gesagt, dass Stuart mein Sohn ist, und das ist die Wahrheit. Aber er ist auch mein Bruder …«
    Während Frank die Sprache wegblieb, er langsam alles verstand, ließ Helena ihren Tränen freien Lauf. Die Stimme der Frau war ein Flüstern, aber in dem kleinen Innenraum des Wagens tönte es wie ein Befreiungsschrei, lange, zu lange zurückgehalten.
    »Verdammt! Verdammt seist du, Nathan Parker. In der Hölle sollst du schmoren, nicht für eine, sondern für tausend Ewigkeiten!«
    Frank erblickte auf der anderen Straßenseite eine kleine Park344

    bucht, direkt neben einer betriebsamen Baustelle. Er setzte den Blinker und fuhr hinüber, um zu parken. Er stellte den Motor ab, ließ das Licht aber an.
    Er drehte sich zu Helena. Als sei es das Natürlichste der Welt, glitt die Frau zu ihm hinüber, um den Schutz seiner Arme zu suchen, den Stoff seiner grauen Jacke für das tränenüberströmte Gesicht, seine Hand für ihre Haare, die viele Male nach Nächten der Schande ein Gesicht voller Scham verbergen mussten.
    So blieben sie eine Zeit, die Frank unendlich erschien.
    In seinem Kopf vermischten sich tausend Bilder, tausend Geschichten von tausend Leben, die Realität vermischte sich mit der Fantasie, die Gegenwart mit der Vergangenheit, das Wahre mit dem Plausiblen, die Farben mit der Dunkelheit, der Blumenduft mit der Erde, welche den stechenden Geruch der Verwesung in sich trägt.
    Er sah sich selbst im Haus seiner Eltern. Und die Hand von Nathan Parker, die sich nach der Tochter ausstreckte, und Harriets Tränen, und ein Messer, das sich gegen einen Mann erhob, der an einen Sessel gefesselt war, und das Aufblitzen eines Messers, das in sein Nasenloch geschoben wurde, und den blauäugigen Blick eines zehnjährigen Jungen, der zwischen grausamen Bestien lebte, ohne es zu wissen.
    Der Hass in seinem Kopf wurde zu einem grellen Licht, und ganz langsam wurde dieses Licht zu einem stummen Schrei, so stark, dass er alle Spiegel hätte explodieren lassen können, in denen sich die menschliche Boshaftigkeit zu spiegeln vermochte, alle Mauern, hinter denen sich die Boshaftigkeit zu verstecken vermochte, alle verschlossenen Türen, an die vergebens Fäuste von Menschen geschlagen hatten, die verzweifelt um Einlass baten, um vor der eigenen Verzweiflung gerettet zu werden.
    Helena wollte einfach nur vergessen. Und genau das wollte auch Frank, genau hier, in diesem Auto neben den Schutthaufen, in dieser Umarmung, in dieser Begegnung zwischen Mauer und Efeu, die man mit einem einzigen, simplen Wort umschreiben kann: endlich.
    Frank hätte nie sagen können, wer sich zuerst geöffnet hatte. Als sich schließlich ihre Blicke wieder trafen, wussten beide in ihrer Fassungslosigkeit, dass etwas Bedeutendes geschehen war.
    Sie küssten sich, und in diesem ersten Kuss vereinigten sich ihre Lippen in Angst, nicht in Liebe. Es war die Angst, nichts sei wahr, es sei die Verzweiflung, die den Namen der Zärtlichkeit ausspreche, es sei die Einsamkeit, die den Worten eine andere Stimme verleihe, 345

    nichts sei so, wie es schien.
    Sie würden es wieder und wieder tun müssen, bevor sie es glauben konnten. Bevor der Verdacht eine kleine Hoffnung wurde, denn keiner der beiden konnte sich den Luxus der Gewissheit erlauben.
    Dann sahen sie sich wortlos an. Es war Helena, die sich zuerst fasste. Sie streichelte sein Gesicht.
    »Sag irgendwas Dummes, bitte. Dumm, aber wahrhaftig.«
    »Ich fürchte, die Reservierung im Restaurant sind wir los.«
    Helena umarmte ihn wieder, und Frank spürte an seinem Hals, wie sich das Lachen der

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