Ich Töte
Zierwein bedeckten Pergola. Auf dem Tisch standen die Überreste eines Frühstücks. Die Anwesenheit des Intendanten war ein deutlicher Hinweis auf Jean-Loups Krise. Solche Zuvorkommenheit bedeutete, dass er Angst um seinen Goldesel hatte.
»Salut, Jean-Loup. Guten Tag, Herr Intendant.«
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Bikjalo erhob sich, die Erleichterung stand ihm sichtbar ins Gesicht geschrieben. Die Verstärkung war eingetroffen. Jean-Loup hingegen schien ihre Anwesenheit eher peinlich zu berühren, und er wich ihren Blicken aus.
»Guten Morgen, meine Herren. Ich habe gerade zu Jean-Loup gesagt …«
Frank unterbrach ihn ziemlich brüsk. Er wollte Jean-Loup nicht überfallen und direkt zum Thema kommen. Die Situation war heikel, und er wollte, dass er sich wohl fühlte, bevor sie zur entscheidenden Frage kamen.
»Ist das etwa Kaffee, was ich da auf dem Tisch sehe?«
»Ähm, ja …«
»Ist der für Einheimische reserviert, oder gibt es auch für Ausländer ein Tröpfchen?«
Während Hulot und Frank sich an den Tisch setzten, stand Jean-Loup auf, um zwei Tassen vom Teewagen zu nehmen, der hinter ihm stand. Während der DJ den Kaffee aus einer Thermoskanne eingoss, musterte Frank ihn aufmerksam. Seine Gesichtszüge waren gezeichnet von einer Nacht, in der er sich schlaflos unter den Laken herumgewälzt hatte. Er stand unter Druck, und das konnte Frank gut verstehen. Aber er durfte, er konnte ihm nicht nachgeben, und das würde Jean-Loup verstehen müssen.
Hulot führte die Tasse zum Mund.
»Hmmm, gut. Solchen Kaffee brauchten wir im Präsidium.«
Jean-Loup lächelte freudlos. Sein Blick schweifte umher und wich ihnen aus, besonders Frank. Bikjalo setzte sich wieder, allerdings auf den Stuhl, der am weitesten vom Tisch entfernt stand. Es sah aus, als wolle er auf Distanz gehen und ihnen den Anfang überlassen. Spannung lag in der Luft.
Frank entschied, dass der Moment gekommen war, den Stier bei den Hörnern zu packen.
»Also, wo liegt das Problem, Jean-Loup?«
Endlich fand der DJ die Kraft, ihm in die Augen zu blicken. Zu seiner Überraschung sah Frank keine Angst darin, wie er erwartet hatte. Da war Müdigkeit, da war Besorgnis. Vielleicht die Furcht, einer Rolle nicht gerecht zu werden, die zu groß für ihn war. Aber keine Angst. Jean-Loup wandte den Blick wieder ab und beeilte sich zu sagen, was er wohl schon einige Male zu sich selbst gesagt hatte.
»Das Problem ist ganz einfach. Ich schaffe es nicht.«
Frank schwieg und wartete darauf, dass Jean-Loup von allein 196
fortfuhr. Er wollte ihm nicht das Gefühl geben, verhört zu werden.
»Ich wusste nicht, was da auf mich zukommt. Jedes Mal, wenn ich diese Stimme am Telefon höre, kostet mich das zehn Jahre meines Lebens. Und der Gedanke, dass dieser Mann, nachdem er mit mir gesprochen hat, rausgeht und … und …«
Er fuhr fort, als koste es ihn unglaubliche Kraft. Wahrscheinlich gefiel es niemandem, die eigenen Schwächen offen zu legen, und Jean-Loup bildete da keine Ausnahme.
»… dass dieser Mann tut, was er tut, also, das macht mich fertig.
Und ich frage mich: Warum ich? Warum muss er ausgerechnet mich anrufen? Seit diese Geschichte angefangen hat, lebe ich nicht mehr.
Ich bin in meinem Haus gefangen wie ein Verbrecher, ich kann nicht mehr ans Fenster gehen, ohne die Journalisten zu hören, die meinen Namen schreien, ich kann die Nase nicht mehr zur Tür hinausstecken, ohne von Leuten umzingelt zu werden, die mich mit Fragen bombardieren. Ich schaffe das nicht mehr.«
Bikjalo fühlte sich auf den Plan gerufen.
»Aber Jean-Loup, das ist doch eine einzigartige Gelegenheit, so was hat man nur einmal in seinem Leben. Wir haben eine unglaubliche Popularität im Moment. Du gehörst zu den bekanntesten Leuten in ganz Europa. Es gibt keinen Fernsehsender, der dich nicht will, keine Zeitung, die nicht von dir spricht. Es sind sogar schon Angebote von Filmproduzenten in den Sender geflattert, weil sie die ganze Geschichte verfilm…«
Ein bohrender Blick von Hulot brachte den Redefluss des Intendanten unvermittelt zum Versiegen. Frank dachte, dass dieser Mann ein Arschloch allererster Güte war. Ein gieriges Arschloch. Er hätte ihm am liebsten eine reingehauen.
Jean-Loup stand mit gebieterischer Geste auf.
»Ich möchte geschätzt werden, weil ich mit den Leuten rede, nicht weil ich mit einem Mörder rede. Und im Übrigen kenne ich die Journalisten. Wenn ihnen die Geschichten ausgehen, werden sie anfangen, sich dieselben Fragen zu stellen, wie ich sie mir
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