Ich versprach dir die Liebe: Roman (German Edition)
Familie am Flughafen gewesen war. Ich gab ihr eine zweite Chance, mich zu Hause willkommen zu heißen, und lud sie zu einer Party ein, die ein Klassenkamerad mir zu Ehren gab.
Elle passte nicht recht in die Szene, aber ein wenig widerstrebend kam sie trotzdem, weil ich sie darum gebeten hatte. Während ich mir ein Bier besorgte und von ganzen Horden von Leuten belagert wurde, die meine Rückkehr feierten, verschwand sie still und heimlich.
Ihr Vater hatte mir das Versprechen abgenommen, auf sie achtzugeben. So ein Mist, dachte ich. Zwanzig Minuten später fand ich sie. Sie saß auf dem Rasen und blickte in den Sternenhimmel hinauf. Klar, dass sie Sterne betrachten würde, mit oder ohne Teleskop. Eigentlich hätte ich wissen müssen, wo sie zu finden war.
»Mir ist es da drinnen zu voll«, sagte sie.
Ich ließ mich neben ihr ins Gras fallen und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. »Wo ist der Orion?«
Sie kicherte. »Im Sommer kann man Orion nicht sehen.« Sie zeigte auf einige helle Sterne. »Das dort sind Wega, Atair undDeneb. Das Sommerdreieck. Jeder von denen ist der hellste in seinem Sternbild.«
Ich warf ihr einen Blick zu. Sie sagte nicht alles. Wahrscheinlich wusste sie viel mehr über diese Sterne, inklusive der Sonnenmasse und der Helligkeitsklasse.
»Ich habe schon mehrere Sternschnuppen gesehen«, erzählte sie mir.
»Und was hast du dir gewünscht?«
Sie verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf. »Für das, was ich mir wünsche, braucht es ein Wunder.«
»Was ist es denn?«
»Das darf man doch nicht sagen, sonst erfüllt sich der Wunsch nicht.« Ihre Stimme klang brüchig. Sie setzte sich auf und wandte sich ab. »Ich gehe jetzt heim«, fügte sie mit immer noch unsteter Stimme hinzu.
Ich legte ihr die Hand auf die Schulter und drehte sie zu mir um. Ihr Gesicht war warm und nass, und ich fragte mich, wie mir hatte entgehen können, dass sie geweint hatte.
»Was ist denn?«
Sie sagte nichts, sondern klammerte sich an mich. Es ging wohl um ihre Mutter.
»Aber Brustkrebs ist doch heilbar, oder?«, fragte ich.
»Wenn er rechtzeitig entdeckt wird, ja.«
»Und das haben sie getan, nicht wahr?«
»Es sitzt jetzt in den Knochen.«
Und plötzlich bekam die blonde Barbiepuppenperücke auf dem Kopf ihrer Mutter eine ganz andere Bedeutung als pure Eitelkeit. Im Januar hatte meine Mutter mir von Alices Krebserkrankung geschrieben und davon, dass ihr Bestrahlungen und Chemotherapie bevorstanden, aber ich hatte nicht wirklich begriffen, dass Alice sterben könnte. Alice! Mein Gott! »Ist es schlimm, wenn es in den Knochen sitzt?«, fragte ich.
»Es ist schrecklich. Aber verrate es bitte niemandem, okay?« Elle zitterte. »Sie bemüht sich, tapfer zu sein.«
Genau wie Elle. Unerschrocken. Schon als Jugendliche.
Ich küsste sie auf die Stirn. In aller Freundschaft. Brüderlich. »Komm, wir halten Ausschau nach noch einer Sternschnuppe«, sagte ich.
Wir legten uns nebeneinander ins Gras. Ich nahm ihre Hand, suchte den Himmel ab und zermarterte mir das Gehirn darüber, wie ich es anstellen könnte, dass Elle sich ein wenig besser fühlte. Und ich natürlich auch. Aber mir fiel nichts ein. Der Abend hätte ganz anders ablaufen sollen – fröhlich, mit Freunden und einer rauschenden Party.
Im Schein einer Fackel konnte ich Elles Gesicht erkennen und ertappte mich dabei, sie anzustarren. Ihre Zahnspange war verschwunden. Während meiner Abwesenheit war sie zu einer Schönheit herangewachsen.
Von Zeit zu Zeit kamen Leute in den Garten und vertraten sich die Beine. Niemand sprach mit uns, und wir sprachen mit niemandem. Auch nicht miteinander. Nach einer Weile wurde Elles Atem ruhiger. In einiger Entfernung wummerte der Bass eines Billy-Idol-Songs aus dem Haus. Die Musik hatte nichts mit uns zu tun. Alles verschwamm. Ich träumte. Irgendetwas. Es schmolz dahin, wie alle Träume.
Als ich aufwachte, lagen wir Wange an Wange. Ich sah auf die Uhr. Kurz nach halb elf. »Wach auf«, flüsterte ich.
Aber sie rührte sich nicht. Ihr Atem wurde noch tiefer. Aus reiner Neugier und auch wegen des lustvollen Gefühls streifte ich mit dem Mund über ihre Lippen. Sie öffnete die Augen. Während sich unsere Lippen unendlich sanft berührten, fragte ich mich, ob ich wirklich derselbe Matthew war wie noch vor wenigen Tagen in Wales, als ich die Überzeugung vertrat, Sex sei das Ziel.
Mein Gott, wie weich waren Elles Lippen! Ich erwartete geradezu, sie in kindliches Lachen ausbrechen zu hören, ähnlich wie
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