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Ihr Auftritt, Mr. Pringle!

Ihr Auftritt, Mr. Pringle!

Titel: Ihr Auftritt, Mr. Pringle! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Livingston
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standen auf Servierwagen, Reste von
Räucherlachs waren in den Teppich getreten, leere Flaschen ragten schief aus
einem Abfallbehälter. Aber der Geist ruhte noch nicht in Frieden.
    Das Vorzimmer war leer. Enid,
die Chefsekretärin, arbeitete am Sonnabend nicht. Er ging direkt durch die
Verbindungstür. Malcolm Gordon wirbelte herum, leichenblaß. «Raus!» Fitz lag
zusammengekrümmt auf dem Boden.
    «Nein», sagte Mr. Pringle laut.
«Diese Sache hat jetzt lange genug gedauert. Sie muß aufhören. Sofort!» Den
gleichen Ton hatte er gegenüber der Polizei benutzt, aber er hatte nicht die
geringste Wirkung auf Malcolm. Der Mann kam auf ihn zu.
    «Nein!» Schreckliche Furcht
machte Mr. Pringle die Knie weich und ließ ihn quietschen: «Wir müssen einen
Krankenwagen rufen. Vielleicht ist er noch nicht tot.»
    Malcolm versetzte der Gestalt
verächtlich einen Tritt, überlegte es sich anders und ging zum Fenster.
    «Was hat er gesehen? Womit hat
er Ihnen gedroht?»
    «Mit dem Spieker.» Malcolm
kämpfte mit dem Fenstergriff. «Verdammt!» Er hatte sich einen Fingernagel
eingerissen. Er hielt inne, um das Stück abzubeißen. «Er sagte, er habe
gesehen, wie ich ihn nahm. Das konnte er nicht, denn das Licht im Regieraum war
aus. Er hat es vermutet. Dorothy war die einzige, die es wußte. Verdammt!» Der
Fenstergriff ließ sich nicht bewegen. Er ging an seinen Schreibtisch und suchte
etwas, das er als Hebel benutzen konnte.
    «Sie hat dann aufgeschrien, als
sie es wußte.» Mr. Pringle plapperte jetzt drauflos. Er mußte dafür sorgen, daß
Malcolm weitersprach.
    «Das hätte sie nicht tun
sollen.» Er hatte einen Brieföffner aus Metall gefunden und war wieder ans
Fenster gegangen. «Sie hätte sich nicht erhängen sollen, nicht versuchen
sollen, mir die Schuld zu geben.» Er hatte die Spitze der Klinge zwischen Griff
und Fensterrahmen angesetzt und mit aller Kraft gedrückt.
    «Sie hat sich umgebracht, weil
sie seine Mutter war. Sie haben ihren Sohn ermordet. Und Sie waren sein Vater.»
    «Das können sie nicht —
beweisen.» Er drückte mit seinem ganzen Gewicht. Sein Nacken wurde rot.
    «Konnte Christopher es beweisen?»
    «Das sagte er, aber ich
bezweifle es. Ich wollte kein Risiko eingehen... Ah.» Der Metallriegel gab nach
und ruckte nach oben. Vorsichtig öffnete er mit den Fingerspitzen das Fenster.
Ein Windstoß verwehte einige seiner nächsten Worte. «Er hat versucht... die
Mutter des Mädchens setzte Agenten... belästigte mich danach... sorgte mich...
wenn das nicht gewesen wäre... wäre es nie passiert.» Das Fenster war jetzt
weit geöffnet. Es war ein Meter achtzig mal ein Meter zwanzig breit, groß
genug, um zwei Männer gleichzeitig hindurchzulassen.
    «Ich verstehe nur nicht,
warum...?» Mr. Pringle bemühte sich erfolglos, nicht ängstlich zu klingen. Er
sprach nicht, er wimmerte: «Warum haben Sie und Dorothy nicht geheiratet?»
    Malcolm hatte beide Arme unter
Fitz’ Schultern gelegt und zerrte ihn über den Fußboden. «Das würden Sie nicht
verstehen.»
    «Ich möchte es dennoch wissen.»
    «Wir waren soeben von der BBC
gekommen, das unabhängige Fernsehen ITV hatte angefangen... eine ganz neue
Welt. Alles war möglich.» Er stieß gegen einen schweren Sessel. Er versuchte,
ihn mit dem Oberschenkel wegzuschieben, aber dazu bedurfte es einer größeren
Anstrengung. Verärgert warf er Fitz zur Seite. Der blonde Kopf krachte
widerwärtig gegen einen kleinen Tisch. Malcolm ergriff den Sessel mit beiden
Händen. «Wir standen auf der Karriereleiter. Ich war auf dem Weg nach oben.
Dorothy auch, wenn sie nicht unvorsichtig gewesen wäre.»
    «Sie liebte Sie und hatte von
Ihnen ein Kind.» Sentimentalität war nicht dabei. Mr. Pringle nannte Tatsachen.
Malcolm wurde ungeduldig. Er schob den Sessel beiseite. «Sie hatte viel zu
lange mit der Abtreibung gewartet, ehe sie es mir sagte. Das war in den
fünfziger Jahren. Junge Frauen wurden in den fünfziger Jahren keine ledigen
Mütter, jedenfalls nicht, wenn sie ehrgeizig waren.»
    «Also haben Sie sie überredet,
Christopher Ihrer Schwester zu geben, damit sie ihn aufzog. Warum hat sie ihn nicht adoptiert?»
    «Da war ich schon verheiratet.
Ich wußte nicht, ob wir Kinder bekommen würden...»
    «Sie haben geheiratet, nachdem
Sie und Dorothy...?» Mr. Pringle war entrüstet.
    «Ich habe die richtige Wahl
getroffen. Dorothys Krankheit war damals bestätigt worden. Sie willigte ein.
Sie wußte, es gab keine Heilung. Christophers Geburt hatte das

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