Ihr liebt sie nicht: Psychothriller (German Edition)
noch ein weiterer Verdacht im Raum. Ein neues Gefühl fing gerade an, in Stevens Verstand Gestalt anzunehmen. Mr Holly war gerade in dem Moment wieder aufgetaucht, als drei Kinder verschwunden waren. Steven traute sich kein Urteil zu, ob dies Zufall war oder nicht, doch er hatte gelernt, seinem Bauchgefühl zu vertrauen, und es trog ihn nur selten.
Natürlich konnte er Em nichts von alldem sagen. Sein merkwürdiges Verhalten damit zu rechtfertigen, dass er sich als wahnsinnig outete, würde sie wahrscheinlich nicht beeindrucken. Auch das wusste er instinktiv, und er war erleichtert, dass wenigstens das für eine gewisse Normalität sprach.
Sie sah ihn noch immer an und wartete auf eine Antwort.
»Tut mir leid«, sagte er schließlich.
Em starrte ihn lange an und wandte sich dann ab.
Er folgte ihr dorthin, wo Skip im Sonnenschein döste.
Ihr liebt ihn nicht.
Jonas starrte den gelben Zettel auf dem Lenkrad an und hoffte immer noch, dass es ein schlechter Scherz war. Ein Witz. Vielleicht wollte Charlie ja Aufmerksamkeit – oder ein anderes Kind hatte ihn dazu angestiftet. Charlie konnte sich just in diesem Moment in einem Toilettenhäuschen versteckt halten und über das Chaos kichern, das er angerichtet hatte, dachte Jonas.
Er hoffte es.
Wenn das Ganze nämlich kein schlechter Scherz war, dann hatte Jonas das ganz ungute Gefühl, dass es bereits nicht mehr in ihrer Macht stand, Charlie Peach zu helfen.
Überall auf dem Turniergelände suchten die Leute. Vielleicht dreihundert Menschen auf einer einzigen großen Wiese. Wenn Charlie noch hier wäre, dann wäre er doch bestimmt inzwischen gefunden worden, oder?
Wenn er nicht hier war, hieß das, dass das Tor zu spät geschlossen worden war.
Um diese Tageszeit ging es in erster Linie darum, die Leute auf das Gelände zu lassen, und nicht darum, sich die wenigen zu merken, die es nach frühen Prüfungen oder nach einem Ausscheiden verließen. Er konnte Graham Nash keinen Vorwurf machen. Von dem Mann am Tor wurde nichts weiter erwartet, als achtzugeben, dass weg fahrende Autos nicht mit ankommenden zusammenstießen. Er war nicht dazu da zu überprüfen, ob ein entführtes Kind im Kofferraum eines wegfahrenden Wagens steckte oder gefesselt auf dem Rücksitz lag …
Nein, das war sein Job.
Jonas ging ein kleines Stück den Hügel hinauf, damit er das Gelände besser überblicken konnte. Er schaute zu den Reihen der Autos und Pferdetransporter hinüber, die den Rand des abfallenden Turnierplatzes bedeckten wie farbenfrohe Schuppen. Ein dunkler Punkt auf dem Fenster eines Wagens ein paar Reihen weiter hinten fiel ihm ins Auge. Er runzelte die Stirn und ging hin. Als er näher kam, konnte er sehen, dass das Dunkle ein sauberes Loch im hinteren Beifahrerfenster eines silbernen Renault Megane war. Er wölbte die Hände ums Gesicht und spähte in den dunklen Innenraum, rechnete damit, etwas Stehlenswertes auf dem Rücksitz zu entdecken. Dort lagen ein zerfledderter Straßenatlas, ein paar Wachsmalkreiden, die Strickjacke eines kleinen Mädchens. Er bemerkte ein ähnliches Loch im gegenüberliegenden Fenster und ging um den Wagen herum, um es ebenfalls in Augenschein zu nehmen. Es war nicht mal groß genug, dass auch nur die Hand eines Kindes hindurchgepasst hätte, und er sah, dass die Türen des Megane noch verriegelt waren. Falls jemand versucht hatte, irgendein Gerät durch das Loch einzuführen, um die Türschlösser zu öffnen, dann war er gestört worden.
Gestört bei dem Versuch, Wachsmalkreiden zu stehlen.
Jonas schaute über die Schulter und konnte den Kleinbus sehen. Er trat von dem Megane zurück und schickte sich an, zu ihm hinüberzugehen. Als er an einem Ford Focus vorbeikam, sah er, dass auch dieser Wagen ein kaputtes Fenster hatte – ein kleines, sauberes Loch, umgeben von einem Mosaik aus gesprungenem Sicherheitsglas. Er spähte durch das fünf Zentimeter große Loch und sah einen pummeligen braunen Labrador, der sich unbeholfen auf dem Rücksitz breitgemacht hatte. Der Hund hob den Kopf und bellte der Form halber einmal, doch es sah aus, als sei ihm zu heiß, um irgendetwas anderes zu tun.
Ehe er noch darüber nachdachte, versuchte Jonas, die Tür zu öffnen, doch sie war verriegelt.
Scheiße.
Jetzt würden seine Fingerabdrücke auf dem Türgriff sein. Verdammte Scheiße.
Reynolds würde berechtigterweise wütend auf ihn sein – besonders nach dem Debakel beim letzten Fall, als Fingerabdrücke und Haare von ihm an mehr als einem Tatort
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