Ihr stolzer Sklave
hob. Das rötliche Fell setzte sich gegen das Grün ab.
Orin setzte seinen Bogen an. Kieran hielt den Atem an und wartete darauf, dass er schoss. Die Sehne spannte sich, dann war ein zartes Schwirren zu hören. Der Pfeil traf das Hirschkalb in den Bauch, aber es war kein tödlicher Schuss. Kieran fluchte, als das Tier in die entgegengesetzte Richtung davonflüchtete. Er rannte hinter dem Kalb her. Seine Beine schmerzten, als er versuchte, es einzuholen. Fast hatte er es geschafft …
Die Wunde ließ das Tier langsamer werden, während Kieran dessen Vorsprung aufholte. Undeutlich hörte er einen Ruf hinter sich. Als er sein Messer zog und sich bereit machte, dem Hirschkalb den Todesstoß zu versetzen, erklang aus dem Unterholz ein tiefes Knurren. Er achtete nicht darauf und warf sich auf das verletzte Tier. Er zog es zu Boden und beendete sein Leben.
Das Knurren wurde lauter, und Kieran hielt das Messer kampfbereit in der Hand. Es war eine einsame Wölfin, die hinter ihm lauerte. Unter ihrem grauen Fell traten die Rippen hervor. Sie hatte eindeutig Hunger, und er erstarrte. Er erkannte, dass auch sie dem Kalb auf der Spur gewesen war.
Für einen Moment hielt er inne. Er wollte der Wölfin das Wildbret nicht so einfach überlassen. Stattdessen warf er ihr eines der Kaninchen hin. Sie stürzte sich darauf und zerrte an dem Fleisch.
Er sah, wie groß ihr Hunger war, und erblickte in ihrer Verzweiflung etwas von sich selbst. Diese Wildheit kannte er, diese Instinkte, die in einem wach werden konnten und durch die sich der Mensch kaum noch vom Tier unterschied. Und bei Gott, er wusste, was es hieß, so hungrig zu sein.
Einer der Jäger hob seinen Bogen, um den Wolf zu töten, aber Davin hielt ihn auf. „Lass sie fressen.“ Und Kieran befahl er: „Nimm das Hirschkalb, und bring es zu den Pferden. Wir haben, weswegen wir hierherkamen.“ Darüber, dass der Sklave den Wolf mit Fleisch gefüttert hatte, sagte er nichts, aber jeder behielt das Tier im Auge. Die Wölfin zog sich langsam zurück, bis sie im Dickicht verschwunden war.
Als sie fort war, schienen die Männer aufzuatmen. „Du hättest sie töten sollen“, bemerkte Cearul.
„Sie ist keine Bedrohung für uns.“ Davin stieg auf sein Pferd und fügte hinzu: „Sie ist allein, ihr Rudel hat sie verlassen. Es würde mich wundern, wenn sie den Frühling überlebt.“
„Wenn sie Junge säugt, könnten die unsere Herden bedrohen.“ Cearul starrte Kieran wütend an, als wäre er schuld an Davins Milde. „Und gutes Fleisch wurde verschwendet.“
„Es war seine Beute“, stellte Orin fest. Das Gesicht des jungen Mannes wurde rot, als hätte er sich über seine eigenen Worte erschrocken. „Und es war sein Recht, damit zu verfahren, wie es ihm gefiel.“
„Das Fleisch gehörte seinem Herrn. Ein Sklave besitzt nichts.“ Cearul blickte Davin um Zustimmung heischend an.
Kieran warf sich dabei das Hirschkalb über die Schulter. Dessen Gewicht drückte schwer auf seine Wunden. Die kleinlichen Argumente der anderen kümmerten ihn nicht. Besonders dann nicht, wenn sie von Männern kamen, die versuchten, auf diese Weise ihren Status zu verbessern. Er bereute nicht, was er getan hatte.
Zähneknirschend schleppte er das Hirschkalb zu den Pferden zurück. Ein leichter Regen begann niederzugehen und nässte seine Tunika und schließlich seine Haut. Als er den Rand der Lichtung erreichte, weidete er das Tier aus. Obwohl er jahrelang seinen Anteil am Schlachtgemetzel gehabt hatte, machte der Anblick von Blut ihn immer noch betroffen. Dunkle Erinnerungen an seinen Bruder überfielen ihn bei jedem Schnitt, den er tat.
Kieran schluckte hart und wappnete sich weiter für diese Arbeit. Danach band er die Hinterbeine des Tieres an dessen Hals fest, damit kein Schmutz ins Körperinnere gelangte.
Orin bot ihm seine Hilfe an, aber Kieran lehnte ab. Das hier war seine Pflicht, und er wollte nicht der Schwäche nachgeben. Inzwischen war die Dämmerung angebrochen, und er fühlte, wie Erschöpfung sich in ihm ausbreitete.
Seine Hände waren mit Blut bedeckt. Er ging zu dem Bach, den er zuvor im Wald entdeckt hatte, tauchte sie ins eisige Wasser und wusch die roten Flecken von Gesicht und Fingern. Danach kehrte er zurück und hievte das Wildbret auf seine Schultern.
„Es tut mir leid, dass ich so schlecht geschossen habe“, sagte eine Stimme hinter ihm. Es war Orin, den Bogen über die Schulter gehängt.
„Das
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