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Im Abgrund der Ewigkeit

Im Abgrund der Ewigkeit

Titel: Im Abgrund der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roxann Hill
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zueinander ist so stark, dass davon garantiert noch ein Widerhall in ihr nachklingt. Und der kann nicht ausgelöscht werden. Zudem ist Lilith kein Mensch. Sie wird sich erinnern, sie muss sich erinnern. …Wir werden ihr dabei helfen.“
    Asmodeo schnaubte. „Was ich an dir am meisten bewundere, ist dein Optimismus.“
    Der Abt grinste. „Mein Optimismus ist berufsbedingt. Ich will ja nicht fragen, was du sonst noch an mir bewunderst.“
    „Ich würde dir darauf auch keine Antwort geben“, parierte Asmodeo. „Aber kannst du Lilith diesmal eine wirkliche Nachricht von mir bringen?“
    Der Abt dachte kurz nach, langte in seine Jackentasche und holte ein dünnes, zusammengefaltetes Leder heraus. Er legte es auf die Kommode, die neben ihnen stand und deutete darauf. „Du kannst etwas auf der Rückseite der Karte hinterlassen. Lilith wird es bestimmt sehen.“
    Asmodeo schlug seinerseits sein Jackett zurück und griff nach seinem goldenen Füller. Er nahm die Kappe ab und schrieb sorgfältig einige Worte auf die Karte. Nachdem er den Stift wieder verschlossen hatte, hielt er dem Abt das hellbraune Leder hin. „Willst du es lesen?“
    Der Abt schüttelte mit Bestimmtheit den Kopf. „Das geht mich nichts an. Das ist eine Sache zwischen dir und Lilith.“ Mit diesen Worten bückte er sich, öffnete die Reisetasche und verstaute die Karte zwischen den Proteinriegeln und dem Revolvergurt. Mit einem metallenen Knacken klappte er den Koffer zu, packte ihn am Griff und richtete sich auf.
    „Wenn ich aus dem Bild zurückkomme…“, er führte seinen Satz nicht zu Ende.
    „Was ist dann?“
    „Ich werde – gelinde gesagt – nicht in sehr guter Verfassung sein. Du musst mir zu trinken geben.“ Der Abt wies auf einen kupfernen Bottich voller Wasser im hinteren Bereich der Grotte.
    „Gut, ich versorge dich mit Wasser. Was für eine Heldentat!“
    „Du solltest wirklich vorsichtig damit umgehen. Es handelt sich um Weihwasser. Und obwohl du getauft bist, …nun ja, du weißt schon. Du bist immer noch ein Dämon.“
    „In Ordnung“, sagte Asmodeo. „Ich werde vorsichtig sein. …Und viel Glück.“
    „Danke, das werde ich brauchen.“
    Asmodeo gab dem Abt diesmal keine Antwort. Er schien vollkommen in das Bild versunken zu sein. Wie hypnotisiert starrte er auf die silbrig glänzenden Gleise, auf denen sich jetzt eine Draisine befand.
    Der Abt trat einen Schritt vor, hob seine freie Hand und legte sie vorsichtig auf die Mitte des Gemäldes. Die Farben ringsum begannen zu verblassen, die Oberfläche des Bildes wurde dunkel, goldglühend und dicht. Die Hand, der Arm, die Schulter des alten Mannes versanken in den honigfarbenen Strahlen.
    In dem Bruchteil einer Sekunde war er vollends verschwunden.
     

 
    2
     
    A smodeo beobachtete, wie die Draisine schwerelos über die Schienen dahinglitt. Das aufgeblähte weiße Segel leuchtete weit über die Ebene. Dann flackerte die Darstellung für die Dauer eines Lidschlags und Asmodeo begriff, dass in der Zwischenwelt einige Stunden vergangen waren. Der Alte hatte recht gehabt. Im Fegefeuer existierte Zeit nicht im herkömmlichen Sinne, sie verging manchmal schneller, manchmal langsamer und nur selten identisch mit dem Diesseits.
    Die Geschwindigkeit der Draisine nahm ab. Als sie zum Stehen kam, konnte Asmodeo Lilith erkennen. Er sah, wie sie die Stufen des Gefährts hinaufstieg, sich zu dem alten Mann setzte und mit ihm zu sprechen begann. Er hätte alles dafür gegeben, wenn er nur einmal wieder den Klang ihrer dunkelfarbenen Stimme hätte hören können.
    Der Abt reichte Lilith die Tasche. Sie nahm sie, und dann begann die Figur des Alten von innen heraus zu glühen. Seine Struktur löste sich einfach auf.
    Einen Atemzug später wechselte die Leinwand vor Asmodeo ihre Farben. Diesmal war das Gelb mit einem rubinroten Unterton vermischt. Eine Art Strudel bildete sich, in dessen Mitte sich ein dunkler Kern rasend schnell vergrößerte. Asmodeo schaffte es gerade noch, seine Arme auszustrecken, als der Abt auch schon aus dem Gemälde geschleudert wurde.
    Der Sturz kam so abrupt, dass es Asmodeo nur mit Mühe gelang, den Aufprall des alten Mannes auf dem steinernen Fußboden der Grotte abzufangen. Der Abt öffnete seinen Mund zu einem Stöhnen, welches anfangs kaum vernehmbar war, sich aber schnell zu einem durchdringenden Schrei verwandelte. Das Gesicht des Greises war eingefallen, blutleer und weiß wie Schnee.
    Asmodeo legte den zuckenden Körper auf die Seite, sprang auf und

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