Im Bann der Dämonin
Prostituierte sich benahm. Er würde sie später bestrafen.
Früher hätte kein Dämon gewagt, ihm zu widersprechen. Doch seit seiner letzten Begegnung mit der Kompanie der Engel war seine Position erheblich geschwächt, und das spürten auch die ihm untergeordneten Dämonen. Früher hätte sich Corbin einer solchen Situation relativ einfach entzogen. Die Entmaterialisierung hatte es ihm ermöglicht, sich durch die verschiedenen Dimensionen zu bewegen, so wie ein Mensch durch eine Tür spazierte.
Mit der Entmaterialisierung war ihm auch sein Rang in der Riege der Erzdämonen genommen worden. Viele Hundert Jahre hatte er daran gearbeitet, auf dieser obersten Stufe anzukommen – und jetzt war es auf einen Schlag damit vorbei.
Dieser Umstand machte ihn unsäglich wütend.
Fast wäre er nicht mehr aus der Hölle herausgekommen. Nur durch einen Deal mit dem Fürst der Finsternis hatte er sich freikaufen können: Er hatte ihm versprochen, Luciana zu finden und sie zurückzubringen. Und diese Aufgabe würde er nur allzu gern erledigen.
Oh ja, ich werde Luciana zurück in die Hölle befördern und dafür von Satan reich belohnt werden. Dann werde ich wieder als mächtigster aller Dämonen auf der Erde unter den Menschen weilen .
Er würde sich zurück an die Spitze hangeln.
Ganz egal, wen er zerstören musste, um dorthin zu gelangen.
7. KAPITEL
S ehr früh am Morgen, noch bevor die Sonne aufging, schlich sich Luciana aus dem Palazzo.
Ihr Ziel war die Glasgalerie. Sie musste sich Informationen besorgen.
Wie schade, dass alles schon wieder an seinem Platz stand! Keine Scherbe. Keine Unordnung. Die Glasobjekte standen perfekt aufgereiht da, jungfräulich, glitzernd und still. Kunstvoll. Geschmackvoll. Wieder vollkommen intakt. Dabei hatte es ihr eine solche Befriedigung verschafft, die Galerie zu zertrümmern. All die schönen, feinen Glasgebilde kaputt zu schlagen, hatte etwas Befreiendes gehabt.
Im rückwärtigen Raum öffnete sie die Tür und stieg die Treppe hinauf.
„Mutter von Luzifer, wie ich diesen Ort verabscheue“, murmelte sie zu sich selbst.
Vor langer Zeit, als sie noch ein Mädchen gewesen war, war diese ganze Fassade nicht nötig gewesen. Damals waren Bordelle legal und Venedig die Stadt der Kurtisanen, gerühmt in ganz Europa für die Schönheit seiner Huren. Die Zahl der Prostituierten hatte die Zahl der Adelsdamen bei Weitem übertroffen, und sie waren auf den Straßen gegenwärtiger als die sorgsam behüteten Töchter aus gutem Hause.
Als eine solche Tochter aus gutem Hause wäre Luciana normalerweise nie hier gelandet.
Doch als frischgebackene Dämonin, die sich mühsam ihren Weg hinaus aus der Hölle erarbeitet hatte, war ihr keine andere Wahl geblieben.
Sie hatte ihre Schulden Satan gegenüber nur begleichen können, weil sie sich hier verdingt hatte.
Nie mehr hatte sie daran denken wollen, dass Carlotta ihre Schwester war. So viel hatte sie miteinander verbunden in ihrem früheren Leben, und Luciana hatte ihrer Schwester wirklichhelfen wollen, aber sie war zu spät gekommen damals. Carlotta hatte ihr das nie verziehen, und in ihrem Leben als Dämonin hatte sie sich so sehr verändert. Wie Carlotta es hier so lange aushielt, wusste sie nicht. Offensichtlich hielt sie sich für eine Art Veronica Franco, ein Exemplar der aussterbenden Gattung cortigiana onesta , „ehrliche Kurtisane“, die mit ihrem geistreichen, gebildeten Witz und ihrem politischen Einfluss einst Venedig regierten. Selbst der französische König hatte höchstpersönlich eine Nacht zwischen Veronica Francos Schenkeln verbracht.
Doch für Luciana war das Bordell die Hölle auf Erden gewesen.
Ganz egal, wie arm oder reich ein Kunde war – für sie blieb er immer nur ein Kunde.
Ein Mann, der dafür bezahlte, mit ihr zu schlafen.
Da packte ein fleischiger, betrunkener Mann sie am Arm und zerrte sie in ein Zimmer. „Komm doch rein, Süße. Wir machen hier gerade Party.“
Party, dachte Luciana, ist ein schwacher Ausdruck für das, was sich da wirklich abspielt.
Für sie sah das ganz nach einer ausgewachsenen Orgie aus.
Und das ging wohl schon eine Weile so, wie Luciana auf den ersten Blick erkennen konnte. Frauen und Männer tollten umher, in unterschiedlichen Zuständen von Trunkenheit, Bekleidung und Kopulation. Sie schob sich durch die Leiber, durch das Meer aus nacktem Fleisch, auf der Suche nach Carlotta.
Sie musste herausfinden, was die Bordellbesitzerin über Brandon wusste und was sie ihm verraten
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