Im Bann der Dämonin
Massimo leise. „Ohne zu zögern.“
„Ja, das weiß ich.“ Luciana schloss die Augen, um das Gefühl ihres eigenen Versagens zu verdrängen.
„Sie selbst haben mir viele Male erzählt, dass Dämonen nicht lieben können.“
„Liebe hat mit alldem nichts zu tun. Wage ja nicht, zu denken, es wäre so.“
„Natürlich, baronessa .“
Dann verabschiedete er sich mit einer leichten Verbeugung, und sie hörte, wie er nach unten in seine eigenen Gemächer ging. Seine Tür schlug mit einem leisen Geräusch zu. Die anderen Türhüter, die ohne seine Führung verunsichert waren, zogen sich ebenfalls in ihre Räumlichkeiten zurück, leise miteinander murmelnd, während sie das Zimmer verließen.
Sofort bereute es Luciana, dass sie Massimo so angefahren hatte.
Im unteren Stockwerk ertönte mit einem Mal eine Arie, deren Klang durch die Gemäuer nach oben drang. Geisterhaft, aber schöner als jede menschliche Stimme, die Luciana je gehört hatte. Violetta ist also doch wiedergekommen. Ein merkwürdiges Gefühl der Erleichterung erfüllte die Dämonin, obwohl ihr selbst nicht klar war, woher es rührte.
Massimo hat recht, dachte sie gequält. Meine Entschlossenheit ist dahin .
Seit über zweihundertfünfzig Jahren bewegte sie sich mit einzigartiger Finesse durch diese Stadt. Sie glitt durch die Straßen wie ein Schatten und besorgte sich, was sie brauchte, kostete jede ihrer Taten im Schutz der Dunkelheit aus. Sie hatte sich aus der Hölle befreit und ihren Haushalt neu gegründet.Diesen Haushalt hatte sie mit der Würde geführt, die ihrem noblen Namen angemessen war.
Niemals zaudernd, niemals zögernd, niemals bedauernd.
Allerdings hatte sich mit dem Auftauchen dieses verdammten Eindringlings von Engel alles geändert.
Luciana verabscheute Veränderung. Sie musste etwas gegen diesen Engel unternehmen.
Und zwar schnell, denn ihr lief die Zeit davon.
„Irgendwann musst du auch mal schlafen“, murmelte sie und spähte aus dem Fenster hinaus in die Dunkelheit, wohl wissend, dass er da draußen war. „Und wenn du schläfst, werde ich da sein.“
Auf der anderen Seite des Kanals war Brandon mittlerweile in das baufällige Gebäude zurückgekehrt. Es war sinnlos, sich weiterhin vor Luciana verbergen zu wollen – sie wusste ohnehin genau, wo er war. Nur musste er sich jetzt überlegen, an welcher anderen Front er die Dämonin angreifen konnte.
Wo er ihre Verteidigungslinien durchbrechen konnte, ohne dass sie seine durchbrach.
Als er auf seinen Beobachtungsposten zurückkehrte, kam ihm plötzlich eine Idee.
Er brauchte eine gute Gelegenheit. Einen Türöffner. Einen ihrer Türhüter.
Nach allem, was er bisher gesehen hatte, gab es sechs Türhüter, alles stattliche junge Männer. Da sie sich alle recht ähnlich sahen und die gleiche Kleidung – Jeans und T-Shirt – trugen, konnte er allerdings nicht mit Sicherheit sagen, wie viele von ihnen sich im Moment in Lucianas Nähe aufhielten. Durch die großen Fenster ihres Palazzo sah Brandon, wie Luciana und ihr Personal auf und ab liefen, offensichtlich in eine unerfreuliche Diskussion verwickelt. Schließlich zerstreuten sich alle und verschwanden in verschiedenen Zimmern.
Wahrscheinlich hat sie ihnen von ihrer kleinen Begegnungmit mir berichtet, überlegte er.
Alle hatten ziemlich zerknirscht ausgesehen während dieser Unterhaltung.
Genau das war seine Chance.
Ihr ausgeklügeltes Sicherheitssystem stand womöglich kurz vor dem Kollaps.
Eilig verließ er sein Versteck. Nicht weit entfernt fand er an einer Anlegestelle ein rumpeliges altes Holzboot, das er sich kurz für seine Zwecke ausleihen würde. Leise ruderte er über den Kanal und befestigte das Boot am Anlegesteg von Lucianas Nachbarn.
Der kleine Vorgarten, der zu ihrem Palazzo gehörte, war wunderbar gepflegt. Die unzähligen Rosen verbreiteten nach der Sommerglut des Tages einen überwältigenden Duft.
In einer Ecke des Vorgartens stand ein kleiner Schuppen. Das hübsch verzierte Schloss hatte er rasch aufgeknackt. Er betrachtete die Gartengeräte und schnappte sich eine Heckenschere, die er sich in den Gürtel steckte.
Dann umrundete er in der Dunkelheit leise das Gebäude. Auf halber Höhe entdeckte er auf der Seitenwand einen Kasten in Dachnähe; das musste der Stromkasten sein.
Er erklomm die verzierte Fassade und hielt sich an einem Balkon fest, der sich gleich unterhalb des Kastens befand. Mit der Heckenschere öffnete er den Kasten und sah die bunten Elektrokabel, in einem dicken
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