Im Bann der Engel
Tisch mit Winterstone Händchen hielt. Am liebsten hätte sie den brühheißen Tee über die Frau gegossen.
»Wie geht es Ihnen, meine Liebe?«, wandte sich Madame Hazard an Elena.
»Dank Ihrer Fürsorge geht es mir wieder gut. Ich fühle mich gestärkt und bereit, den neuen Arbeitstag in Angriff zu nehmen.«
»Nichts da, Sie bleiben mindestens noch drei Tage hier zur Beobachtung.«
»Aber…«
»Doch, doch. Mit derartigen Erlebnissen ist nicht zu spaßen. Der Körper mag sich schnell erholen, doch der Geist braucht seine Zeit, um in die Realität zurückzufinden. Oder hatten sie etwa keine schlimmen Träume?«
Ihr Schweigen schien dem Boss Antwort genug zu sein.
»Nun zu dir, Amenatos. Du hast die Transformation blendend überwunden. Ich möchte allerdings zur Sicherheit noch weitere Tests durchführen.«
»Ich stimme zu. Fangen wir an.«
»Nicht hier. Wir fahren mit dem Dampfmobil in die Fabrik und dort werden sich Doktor Weisenhardt und Albert mit dir befassen.«
Elena bemerkte das Gold, das sich in Amenatos‘ Iris stahl. Auch die steile Falte über der Nasenwurzel sagte ihr, dass er nicht einverstanden war.
»Wenn es recht ist, würde ich lieber hier im Haus bleiben.«
Madame Hazard hieb mit der Faust auf den Tisch. »Denkt ihr beiden eigentlich, ich wüsste nicht, was zwischen euch abläuft? Haltet ihr mich für so naiv, euer Treiben zu dulden? Du, Amenatos, wirst mich gefälligst begleiten und Sie, Miss Winterstone, werden sich jedweden Gedanken an eine Affäre mit meinem Todesengel verkneifen. Ist das klar!“
Entsetztes Schweigen breitete sich aus. Die einzige, die wieder guter Dinge zu sein schien, war die Hausangestellte, die lächelnd den Tisch abräumte.
Kapitel 10
Sophia musste zugeben, dass die bornierten Städter sich große Mühe mit der Veranstaltung gegeben hatten. Auch Madame Hazard schien angetan und lächelte huldvoll in die Runde. Ihr Gruß wurde von niemandem erwidert. Eifrig tuschelnde Gruppen gingen auseinander, sobald sie sich dazu gesellte. Die Lakaien, die Champagner servierten, mieden ihre Herrin und schlugen geschickte Haken mit ihren Tabletts auf der Hand, wenn sie einem von ihnen nachstellte.
»Das sollten sie nicht tun«, knurrte sie. »Ich habe ihnen viel Geld in den Rachen geworfen. Das Waisenhaus wurde fast zur Gänze von meinen Mitteln erbaut. Wer streicht nun die Lorbeeren dafür ein? Diese widerliche Annabelle Squirrel.«
»Vielleicht sollten wir besser gehen. Es ist allzu offensichtlich, dass wir nicht erwünscht sind.« Sophia fühlte sich unwohl. Ihr Kleid, in dem sie sich im Haus von Madame Hazard weiblich und äußerst attraktiv fühlte, mutete zwischen all den züchtigen Gewändern ordinär an.
»Wir bleiben. Jetzt erst recht. Sophia, hole uns zwei Gläser Champagner. Dich scheint die Ächtung nicht einzuschließen.«
Sophia ging einem Diener hinterher und stibitzte sich zwei Kelche von seinem Tablett, als er gerade bei einer Gruppe stehenblieb, in deren Mitte sich der Reverend befand.
»Schau einer an. Die neue Dirne in den Diensten der Teufelsbraut«, tönte er laut und deutete mit dem Finger auf Sophia.
»Wie kommen Sie dazu, so über mich zu reden?«, giftete sie zurück. Fehlte noch, dass ein Pfaffe sie vor allen lächerlich machte.
Er tat, als sei sie nicht anwesend. »Es wird ein schlimmes Ende nehmen mit dieser Frau. Ein schlimmes Ende.«
Sophia geriet in Rage. Sie baute sich vor dem impertinenten Kerl auf, wobei sie ihm gerade einmal zur Brust reichte, und sagte leise, aber sehr kalt: »Wo war die Kirche, als meine Mutter nicht wusste, woher den nächsten Bissen Brot nehmen? Wo wart ihr Scheinheiligen, als meine Brüder elendig krepierten, weil sie so schwach waren, dass sie nicht einmal einer Erkältung trotzen konnten? WO!«
Arrogant stierte der Reverend auf Sophia herab. »Wenn es deiner Familie so schlecht geht, warum bist du dann hier, behangen mit Schmuck und angemalt wie eine Salontapete?«
Die Gruppe grölte und prostete dem Reverend anerkennend zu. Vernichtet kehrte Sophia zu ihrer Herrin zurück.
»Was ist geschehen?«, fragte Madame Hazard nach einem forschenden Blick in Sophias Gesicht.
»Nichts. Es ist nichts.«
Unsicher sah Sophia zu der Gruppe, die sich noch immer köstlich amüsierte und in ihre Richtung blickte.
»Haben sie dich beleidigt?«
Sophias Kopfschütteln fiel eine Spur zu zaghaft aus.
»Na warte«, knurrte Madame Hazard, knallte einem Bediensteten, der nicht mehr rechtzeitig ausweichen konnte, das
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