Im Bann des Highlanders
wohligen Seufzen. »Frei! Ich werde endlich wieder frei sein!«
Zu ihrer Erleichterung ließ sich Ewan an diesem Tag nicht mehr blicken, und doch war Joan etwas betrübt darüber, dass sie sich nicht von ihm verabschieden konnte. Den ganzen Abend verbrachten die Frauen damit, einen genauen Fluchtplan auszuarbeiten.
Màiri hatte veranlasst, dass der Wagen bereits beladen worden war, am frühen Morgen wollte sie sich auf den Weg machen. Der Grund dafür war plausibel: Am Vormittag war geplant, gemeinsam mit Darla größere Mengen von Wolle zu färben, und Màiri wollte ihre jüngere Schwester nur ungern die schwere Arbeit alleine machen lassen.
Noch während der Nacht sollte Joan sich unter den Stoffballen, die mit einem alten Plaid abgedeckt worden waren, verstecken; am Morgen würde dann lediglich ein Pferd vor das Fuhrwerk gespannt werden.
»Schlaf noch ein paar Stunden«, riet sie Joan, die vor Nervosität nicht mehr still sitzen konnte. »Ich werde es auch versuchen, und wenn alles ruhig ist, dann hole ich dich.«
»Nein, ich werde mich höchstens etwas hinlegen, aber an Schlaf ist nicht zu denken«, gab Joan zurück. »Bist du ganz sicher, dass du den Weg zu Ceanas Grab noch weißt?«
»Aye, ich kann mich noch genau daran erinnern, obwohl es schon so lange her ist.« Màiri lächelte sanft. »Wir müssen allerdings einen recht weiten Weg zu Fuß machen, der Wald dort oben ist für ein Fuhrwerk unpassierbar.«
In der Tat lag Joan später hellwach in ihrem engen Nischenbett, dabei dachte sie nach längerer Zeit wieder an die Träume, die sie ins achtzehnte Jahrhundert gebracht hatten. Was hatte Ceana Matheson von ihrer Nachfahrin gewollt? Joan hatte während der Wochen auf Glenbharr Castle keinerlei Zeichen mehr von Ceana erhalten und im Grunde genommen war es ihr auch egal – Hauptsache, sie war bald wieder in ihrer vertrauten Umgebung mit den technischen Annehmlichkeiten, die sie so bitter vermisste. Ruhelos wälzte sich Joan auf ihrem Lager, bis sie Màiri leise an die Tür klopfen hörte. Nun also begann das Abenteuer der Rückreise ins Jahr 2005.
Mit einem vor den Mund gelegten Zeigefinger betrat Màiri die Kammer. Màiris Geste war unbegründet, denn Joan nickte stumm und schlich ihr hinterher, nachdem sie sich ein letztes Mal in der Kammer umgesehen hatte. Viel war in der Dunkelheit nicht zu erkennen, denn das Kaminfeuer war bereits erloschen, nur Màiris Talglicht warf einen unruhig flackernden Schein in den winzigen Raum.
Ohne einen Ton von sich zu geben, forderte Màiri Joan mit einer Handbewegung auf, ihr leise zu folgen, und auf Zehenspitzen huschte sie mit gerafften Röcken und wild klopfendem Herzen ihrer Freundin nach.
Der stille Gang wurde nur von wenigen trüb scheinenden Wandleuchtern erhellt, und während sie schließlich die Treppe erreichten, über die Joan Wochen zuvor von Ewan MacLaughlin zu dessen Vater gebracht worden war, stockte ihr der Atem und die Füße schienen sie nicht länger tragen zu wollen. Das Blut rauschte in ihren Ohren, zu deutlich stand noch immer das Bild des grimmig blickenden Lairds und dessen Gefolgsleute vor ihren Augen.
»Was ist los?«, flüsterte Màiri, die Joans Zögern bemerkt hatte. »Du musst keine Angst haben, es schlafen alle. Um diese Zeit hält sich niemand unten in der Halle auf, nur draußen vor dem Burgtor ist ein Wächter.«
Joan schluckte, ihre Mundhöhle war wie ausgetrocknet. »Es ist alles in Ordnung, lass uns weitergehen.«
Der Weg führte quer durch die Halle, und die Kriegswaffen an den Wänden wirkten gespenstisch und bedrohlich im flackernden Schein des Talglichtes.
Rechts von der Treppe befand sich ein flurähnlicher Gang, den Màiri kurz als Küchen- und Wirtschaftstrakt bezeichnete, in der Luft lag noch immer ein Hauch der gebratenen Lammkeulen, die es zum Abendessen gegeben hatte. Am Ende des Ganges befand sich eine Tür, die ins Freie führte, direkt davor stand das Fuhrwerk, ein Holzwagen mit Kutschbock und Ladefläche.
Vorsichtig spähte Màiri um die Ecke, und als sie sicher war, dass der Wachmann in eine andere Richtung schaute, winkte sie Joan zu sich heran und forderte sie auf, sich flach auf die geladenen Stoffballen zu legen, nachdem sie das Plaid zur Seite geschoben hatte.
»Verhalte dich ruhig, auch wenn du Geräusche hörst. Das ist dann nur der Knecht, der das Pferd einspannt, denn ich habe Anordnung gegeben, noch vor dem Frühstück fahren zu wollen.« Màiri sprach so leise, dass sie kaum zu verstehen
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