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Im blauen Licht der Nacht: Roman (German Edition)

Im blauen Licht der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Im blauen Licht der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Richmond
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Ausmaße der Schluchten und des Flusses nicht einmal annäherungsweise begreifen. Nach ein paar Minuten legte sie das Vergrößerungsglas in die oberste Schublade ihrer Frisierkommode zurück und sagte: »Eines ist mir jetzt klar. Ich muss dorthin.«
    Ich war verblüfft über ihre Selbstsicherheit. Eine Reise nach China war in meinen Augen genauso utopisch wie ein Lotteriegewinn oder Präsidentin der Vereinigten Staaten von Amerika zu werden. »Und wie?«
    Sie lachte. »Mit dem Flugzeug, du Schlafmütze.« Ich glaube, das war der Moment, als Amanda Ruth in ihrem Entschluss bestärkt wurde, China kennen zu lernen.
    Der Nebel wird zunehmend dichter. Als Graham und ich zum Bus zurückkehren wollen, verlaufen wir uns. Wir schlagen einen Weg ein, der dem ursprünglichen aufs Haar gleicht, doch statt auf dem Parkplatz zu enden, führt er uns direkt zum Eingang einer Höhle. Erst später kommt mir der Gedanke, dass es vernünftig gewesen wäre, schleu nigst umzukehren, den gleichen Weg zurückzugehen und zu versuchen, den Bus zu finden, dessen planmäßige Abfahrt in einer halben Stunde stattfinden sollte. Die Höhle am Ende des Weges zieht mich jedoch instinktiv in ihren Bann, als hätte uns das Schicksal hierher gebracht. Die Öffnung ist gerade hoch genug, dass ich ohne Probleme eintreten kann. Graham folgt, er muss sich tief bücken. Die Decke im Innern der Höhle ist hoch. Die Luft ist feucht und kühl, die Erde, auf der wir stehen, hart und glatt. Der Eingang lässt das Licht sanft einfallen und ich kann einen alten Kohleherd in der Ecke ausmachen. In einem kleinen Eimer neben dem Herd sammelt sich Staub. Graham tritt ins Licht, stürzt die Höhle in Dunkelheit. Ich höre ihn atmen. Er tritt näher. Sein Mund auf meinem Hals, seine Hände in der Wölbung meines Rückens. Dann kniet er vor mir, seine Hände zittern, als er den Saum meines Sommerkleides hebt. Ich spüre, wie der Stoff den Flaum auf meinen Schenkeln streift, wie seine Hand meine Hand berührt, mich wortlos bittet, das Kleid in Taillenhöhe festzuhalten, mich in der kühlen Dunkelheit der Höhle entblößt. Er streift mir den Slip herunter, über die Oberschenkel, die Knie, hebt meinen Fuß hoch, um mich davon zu befreien, presst mit der Hand gegen die Innenseite meines Schenkels, befiehlt mir stumm, mich für ihn zu öffnen. Sein Mund nimmt mich auf, meine Beine dro hen nachzugeben. Ich packe seine Schulter, versuche, mich von ihm zu lösen, damit ich mich hinlegen kann, wünsche mir verzweifelt, ihn in mir zu spüren, sein Gewicht zu spüren, das mich zu Boden drückt, doch er umklammert meine Hüften mit eisernem Griff, weigert sich loszulassen. Mein Stöhnen hallt in der engen Höhle wider und ich bin sicher, dass alle es hören können, bis zum Fuß des Berges. Erst nachdem sich meine Beinmuskeln anspannen und ich komme, lange und tief, meine Hitze in seinem Mund verströmend, lässt er mich los.
    Ich gleite in die Hocke, lehne mich gegen die Wand, schwach und kraftlos.
    Er ragt hoch über mir auf, in dem seltsamen Licht ist nur seine Silhouette sichtbar. Ich strecke die Hände aus, möchte etwas für ihn tun, doch er ergreift sie. Seine Stärke überrascht mich. Er beugt sich hinunter und hält meine Arme an den Seiten fest, so dass ich mich nicht rühren kann, und küsst mich mit noch warmen Lippen.
    »Der Bus wartet«, sagt er.
    »Bleib.« Ich stelle mir eine ganze Nacht mit ihm alleine vor, sein langer Körper ausgestreckt auf dem Sandboden, ein Kohlenfeuer, das in der Ecke unserer Höhle glimmt. Ich komme mir archaisch vor, verwildert, unfähig ins Tageslicht hinauszutreten und mich unserer Reisegruppe anzuschließen, vor allem Dave, der mit Sicherheit auf den ersten Blick errät, was geschehen ist.
    Graham zieht mich hoch und einen Moment lang stehen wir eng beisammen, sein Körper hart gegen meinen gepresst. Statt der Aufregung, die mit dem Reiz des Neuen einhergeht, einer sich anbahnenden Romanze, habe ich das Gefühl, als würde ich mich an die Szene erinnern, nicht an diese Höhle an diesem Weg, sondern an die Vertrautheit, die wir teilen, an den Geruch seiner Haut, die Hitze seiner Hände, meine eigene Verzweiflung. Ich versuche, dem Ursprung dieses Déjà-vu-Erlebnisses auf die Spur zu kommen, doch er entzieht sich meinem Zugriff, wie ein aufflackerndes Licht am anderen Ende eines dunklen Ganges, das erlischt, wenn man sich ihm nähert.
    Im Bus wirft Elvis Paris in gespielter Verzweiflung die Hände in die Höhe und sagt vorwurfsvoll:

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