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Im blauen Licht der Nacht: Roman (German Edition)

Im blauen Licht der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Im blauen Licht der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Richmond
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beschrieben«. Ich habe meine Reiseunterlagen gründlich gelesen, doch kein Wort von einer alternativen Route entdeckt. Laut Elvis sieht sie einen Flug nach Xian zur Besichtigung der Terrakotta-Armee vor, gefolgt von einer Zugfahrt nach »zaubersame Stadt Guilin, uralte Inspiration von Maler und Dichter«, und eine dreistündige Fahrt auf dem Li Fluss, »noch schöner als Jangtse«.
    »Ich muss zu den Drei Schluchten«, sage ich zu Dave, an die rote Blechdose denkend, die sicher in unserer Kabine verwahrt ist.
    »Natürlich. Schließlich haben wir die weite Reise deshalb auf uns genommen.«
    Ich entdecke Graham am Rande der versammelten Menge. »Wie sind deine Pläne?«
    »Ich bleibe«, sagt er.
    Stacy taucht auf und möchte wissen, ob wir bleiben oder von Bord gehen. Dave erklärt ihr, dass wir uns für den »langen Schlag« entschieden haben. Stacy sieht erleichtert aus. »Ich auch.«
    Diejenigen von uns, die bleiben, werden informiert, dass sie sich für den Rest der Reise auf eigenes Risiko an Bord aufhalten. Die Red Victoria Cruise Line sieht sich außer stande, die Verantwortung für unvorhergesehene Gefahren zu übernehmen, denen wir angesichts des unverhofften Hochwassers ausgesetzt sein könnten. Diese Erklärung, mit der die Reederei jede Haftung ausschließt, wird während des ganzen Vormittags in regelmäßigen Abständen mittels Lautsprecher übertragen. »Sie werden Tag mit Besichtigung von herrliches Wuhan verbringen«, verkündet Die Stimme. »Für Interessenten von Alternative Reiseroute bitte in einzigartiges Hotel Doppelglückseligkeit einfinden, um Gruppe Punkt fünfzehn Uhr treffen. Wenn lange Weg nach Chongquing wählen, bitte Punkt siebzehn Uhr auf Schiff einfinden.«
    »Was kann man denn in Wuhan unternehmen?«, erkundigt sich Stacy.
    »Wir sollten uns den baiji anschauen«, schlägt Graham vor.
    »Den was?«
    »Ein Flussdelphin, der den Jangtse Millionen von Jahren bewohnt hat«, erklärt Graham. »Inzwischen gibt es nur noch fünfzig dieser Art. Einer wurde gefangen und befindet sich meines Erachtens noch im Delphinarium des Instituts für Hydrobiologie in Wuhan. Wir müssen je manden finden, der uns dorthin bringt.« Graham warnt uns, dass wir den Ausflug unter Umständen umsonst machen, weil der QiQi, der Flussdelphin, die Gefangenschaft möglicherweise nicht überlebt hat. Er hatte ihn zuletzt vor drei Jahren gesehen, als er eine Bekannte besuchte, eine renommierte Wissenschaftlerin am Institut. Sie hatte sich mit der Erforschung der Bedrohung befasst, die der Staudamm für den Lebensraum vieler Tier darstellte. In Folge ihres unaus gesprochenen Widerstands gegen das Großprojekt wurde sie ihres Amtes enthoben und aufs Land geschickt, um harte körperliche Arbeit zu leisten.
    Wir wenden uns mit unserer Bitte an Elvis Paris. Er schüttelt den Kopf. »Delphinarium ist Betreten verboten für Ausländer.«
    »Besteht die Möglichkeit, eine Eintrittskarte zu kaufen ?«, fragt Graham.
    Elvis tritt von einem Fuß auf den anderen und denkt einen Moment angestrengt nach. »Wie viel bezahlen für Eintrittskarte?«
    »Vierhundert Yuan für uns vier.«
    »Ich denke, nicht genug. Ist sehr schwierig, baiji sehen. Vielleicht Institut geschlossen, ich muss machen Spezialverfahren.«
    Graham erhöht sein Angebot auf zweihundert Yuan pro Person. Elvis zieht es kurz in Erwägung. »Vielleicht ich kann arrangieren«, sagt er schließlich und nimmt ein Bündel zerknüllter Geldscheine von Graham entgegen, die er glättet und flugs in einer Börse aus Lederimitat verschwinden lässt. Er holt sein Handy aus der Tasche und tätigt einen Anruf, dann begleitet er uns zum Kai, wo er ein rotes Taxi herbeiwinkt. »Ich mitkommen«, sagt er und nimmt auf dem Beifahrersitz Platz.
    Während der nervenzerreißenden Fahrt durch das Ver kehrsgewühl auf den Straßen von Wuhan erklärt Graham, dass die Chinesen verschiedene Bezeichnungen für den baiji haben: galoppierendes weißes Pferd, Fluss-Panda, Herrscher des Jangtse oder Flussgöttin. Letztere geht auf die Song-Dynastie und eine Legende zurück, die sich um die Entstehung des baiji rankt. Graham sagt, er habe sie erstmals vor zwanzig Jahren von einem Fischer in der Provinz Anhui gehört, als man im Fluss noch viele baiji sah, die neben den Sampans einherschwammen.
    Der Legende zufolge gab es einmal ein wunderschönes junges Mädchen, das gefangen genommen und ihrer Familie geraubt wurde. Als sie ans andere Flussufer gebracht und in die Sklaverei verkauft werden

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