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Im fernen Tal der Hoffnung

Im fernen Tal der Hoffnung

Titel: Im fernen Tal der Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Alexander
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gemacht.«
    Claire, die ein wenig heißes Wasser mit Lebertran zu sich genommen hatte, war immer noch im Hemd. Sie kramte in ihrem Zedernholzschrank und versuchte, etwas Passendes für ihre Disposition zu finden. Jedes Kleidungsstück, das sie herausholte, linderte ein wenig die Bestürzung über das schockierende Gespräch. Auf dem Bett lagen bereits Blusen, drei Röcke in verschiedenen Brauntönen und zwei der sogenannten Humpelröcke. Diese würde sie jedoch nicht mehr tragen, beschloss Claire und schob sie beiseite. Es wurde ihr zur Qual, dass die Mode die Frauen so einschnürte. Sie entschied sich für ein elegantes Morgengewand aus Taft. Der rosafarbene Stoff war zweifellos ein wenig zu auffällig für einen trüben Buschtag und sicher mehr geeignet für einen Vormittag in der Stadt, aber Claire brauchte jetzt etwas, das sie aufheiterte. Sie schalt sich selbst, weil ihr die Tränen so locker saßen. Alle möglichen Emotionen übermannten sie, Schuldgefühle, Hass und Verletzung. » Ich hasse dich«, murmelte sie und riss Handschuhe, Wollschals und Fischbeinkorsetts aus den Schubladen ihrer Kommode. » Ich hasse dich.«
    Schließlich wandte sie sich vom Schrank und der Kommode ab und begann, eine Auswahl an sorgfältig gefalteten Abendkleidern aus einer großen Kampferholztruhe zu zerren.
    Â» Mrs Gordon, kann ich Ihnen ein Frühstück bringen?« Mrs Stackland stand in der Tür.
    Claires Finger betasteten die Stoffe. » Nein, danke.« Die Kleider waren aus Satin und Seide, Baumwolle und Taft in allen Farben. Mit geübtem Griff hielt sie sich ein königsblaues Taftkleid mit einem perlenbestickten Mieder vor. Als Nächstes wählte sie ein burgunderrotes Satinkleid mit goldenen Fransen vorn am Rock. Sorgfältig musterte sie ihr Spiegelbild. Das Königsblau machte sie blass, und in dem Burgunderrot wirkte sie blutleer. Gegen ihre Blässe musste sie etwas unternehmen, sonst würden die Klatschtanten in Sydney sie kränker machen, als sie war, sodass sie keine einzige Einladung bekäme.
    Plötzlich durchfuhr sie ein so heftiger Schmerz, dass sie die Kleider auf den Boden fallen ließ. Sie ging in die Knie und hielt sich den Bauch. Langsam schleppte sie sich zur Tür. Vielleicht konnte sie sie ja öffnen und um Hilfe rufen. Aber auf einmal brach ein Schwall Blut aus ihr hervor, und sie sank stöhnend zu Boden. Sie rollte sich auf den Rücken und berührte sich zögernd zwischen den Beinen, aber als sie sich automatisch aufrichten wollte, um vielleicht einen Blick auf ihr ungeborenes Kind werfen zu können, sank sie sofort wieder zurück. » Nein«, mahnte sie sich, » sieh nicht hin, Claire, sieh nicht hin.« Mühsam zerrte sie sich das Hemd vom Leib und stopfte es sich zwischen die Beine. Dann schob sie sich rückwärts zu ihrem Bett und ließ den Kopf nach hinten sinken. Nach einer Weile ließ der Schmerz nach, und sie fühlte nur noch eine dumpfe Leere.
    Durch die halb geöffneten Vorhänge im Schlafzimmer drangen Sonnenstrahlen und glitten über die zarte Haut ihres blutigen Oberschenkels. Wenn sie sich erholt hatte, würde sie die Reise mit der Kutsche in Wangallon Town antreten. Die Sonnenstrahlen brannten heiß an ihrem Bein, und sie zuckte zusammen. Sie richtete den Blick auf das Waschgestell mit der Porzellanschüssel und dem dazu passenden Krug. Die Reise nach Sydney war lang, über tausend Kilometer. Auf ihrer letzten Fahrt nach Süden hatte die mit acht Personen besetzte Kutsche alleine fünfunddreißig Stunden für knappe zweihundert Kilometer gebraucht. Claire zog sich mühsam hoch, bis sie stand. Der Gedanke an die holperige Kutschfahrt und die Langeweile war unerträglich, zumal sie mindestens fünf Übernachtungen brauchen würde; und das auch nur, wenn das Wetter trocken blieb und die Kutsche und die Pferde unterwegs heil blieben.
    Zögernd machte sie einen Schritt nach vorn, und aufs Neue tröpfelte warmes Blut über ihr Bein. Am Waschgestell goss Claire Wasser in die Porzellanschüssel und begann, leise zu schluchzen. Sie weinte um ihr verlorenes Baby, das jetzt im Himmel war, und um den Mann, der ihr Ehemann war. Um sich selbst jedoch konnte Claire dieses Mal nicht weinen.

Hochsommer 1989
    Nord-Schottland
    Normalerweise unterhielt sich Maggie Macken nicht mit Catherine Jamieson. Bei früheren Gelegenheiten hatte Maggie ab und

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