Im Funkloch
so hängt er sicher seit einer halben Stunde da.«
»Du kennst ihn besser als ich – meinst du, das ist alles zu viel für ihn?«
»Ich glaube nicht . . . weißt du, er ist überhaupt nicht der Streber, für den ihr ihn haltet. Wir kommen alle prima mit ihm klar – er ist Klassensprecher, macht Sport, hat die Sache mit dem Webdesign am Laufen . . .«
Es war mir bewusst, wie bescheuert so ein Gefühl war, aber ich wurde eifersüchtig. »Jedenfalls klasse, dass du gestern dazwischengegangen bist.«
»Ich hätte mir fast in die Hose gemacht. Bei diesem Lucas weiß man nie, ob er nicht gleich ausrastet.«
Janka löste sich aus der Mädchengruppe und ging zu dem roten Auto. Beim Fahrer beugte sie sich aufreizend runter, wechselte ein paar Worte und lachte hell. »Und ihr heiß geliebter Tom?«, fragte ich.
Tina drehte sich um und seufzte. »Der wird dannheute Abend vermutlich nicht Thema Nummer eins in unserem Zimmer sein . . . Tja, Janka ist ein sehr spontaner Typ.«
»Vielleicht bittet sie ja die beiden nur, dass sie ihre Scheißmusik leiser drehen«, meinte Kevin trocken.
Tina lachte auf. »Ja, sicher . . .«
Die beiden Typen stiegen aus dem Auto, lehnten sich dagegen und scherzten mit Janka, während die anderen Mädchen immer wieder rüberäugten, aber niemand von ihnen stellte sich dazu. Janka schmiss die ganze Show.
Aus Richtung der Tankstelle sah ich ein blondes Mädchen auf einem Fahrrad näher kommen. Erst verlangsamte sie, als sie sich dem Kirchplatz näherte, dann zog sie abrupt rüber. »Das ist doch die Tochter des Hausmeisters . . . oder Försters . . . was auch immer der war«, meinte ich.
»Nichte«, korrigierte Tina mich. »Susanne. Und sie sieht stinksauer aus.«
Das konnte man wohl sagen. Kaum auf dem Bürgersteig angekommen, sprang sie vom Rad, ließ es scheppernd hinfallen und stürmte auf die beiden Typen zu, bei denen Janka stand.
Ihr Ziel war der Blonde. »Tobias!«, rief sie aus. »Sag mal . . . was soll das?«
Was der Blonde erwiderte, konnte ich nicht hören,aber dieses Schauspiel war leichter zu interpretieren als die Dramen, mit denen wir im Deutschunterricht gequält wurden: Er war ihr Freund – und sie war nicht angetan davon, dass er mit anderen Mädels schäkerte.
Tobias hatte offensichtlich wenig Lust, sich jetzt mit ihr zu befassen, und strafte Susanne mit Ignoranz. Sie schaute sich das alles nicht lange an, stampfte wieder zu ihrem Fahrrad und fuhr davon. Janka hatte sich Susannes Auftritt aus sicherer Entfernung angeschaut, blühte jetzt aber wieder auf und warf sich wieder an den Blonden.
Aus der Kirche sah ich Passlewski, Frau Herzig und die Handvoll Leute kommen, die mit den beiden die Kirche besichtigt hatte. Frau Herzig rief Janka in strengem Tonfall zu sich. Erst nach kurzem Zögern entfernte Janka sich von den beiden Typen am Auto und ging zu ihr, aber nicht, ohne den beiden noch ausgiebig zuzuwinken.
Die beiden Lehrer dirigierten uns zur Bushaltestelle in der Nähe und kurz darauf kam auch schon der Bus. Beim Einsteigen wurden wir durchgezählt und diesmal fehlte offenbar niemand. Fast wunderte ich mich darüber, dass nicht mal Lucas Ärger machte, aber er saß einfach nur mit demonstrativ gelangweiltem Blick im hinteren Teil des Busses. Und trank unauffällig aus einer Bierdose, die er nach jedemSchluck schnell wieder hinter der Sitzlehne versteckte.
Das konnte ja lustig werden . . .
Als der Bus anfuhr, sah ich, wie die beiden Typen mit dem roten Auto wieder einstiegen und auch losfuhren.
Hinter uns her.
Widerworte
»Hey, Sammie!«
Lucas winkt mich zu sich. Wie fast immer sind Marcel, Dennis und Jan bei ihm. Sie hängen hinter dem Tor eines Bolzplatzes ab. Am anderen Ende des Feldes spielen ein paar Kinder aufs Tor. Sie trauen sich offenbar nicht, mit beiden Toren zu spielen, solange Lucas da ist. Es ist ein sonniger Frühlingstag. Zwar ist der Boden noch hart, aber wenigstens nicht mehr gefroren wie vor wenigen Wochen noch.
Als ich zu den anderen komme, grinst Lucas breit. »Kommst gerade rechtzeitig. Wird gleich lustig.« Zu Lucas' Füßen liegen schon einige zusammengedrückte Bierdosen und Marcel leert gerade noch eine. Er presst sie zusammen, schafft aber nur einen Knick in der Mitte. Lucas kann eine Dose mit Leichtigkeit so flach wie eine Münze drücken.
Er ist gut gelaunt heute. Natürlich kann das auch schnell in Aggressivität umschlagen, aber vielleicht hat er wirklich eine coole Sache geplant. Ich grinse zurück. »Bin
Weitere Kostenlose Bücher