Im Glanz der roten Sonne Roman
bin gestern Abend noch in Eden gewesen. Alles schlief schon, nur Jordan nicht. Er wird heute Morgen genauso müde sein wie ich, wenn ich daran denke, was wir den größten Teil der Nacht getan haben.«
Eve klopfte das Herz plötzlich bis zum Hals. »Was willst du damit sagen?«
Lexie lächelte. »So naiv bist du doch wohl nicht, Evangeline?«
Eve wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie spürte, wie ihr Gesicht ganz heiß wurde und ihre Handflächen zu schwitzen begannen. Plötzlich erinnerte sie sich deutlich daran, wie Jordan sie geküsst und wie sehr dieser Kuss ihn erregt hatte. Lexie hatte sich ihm sicher an den Hals geworfen – doch ob Jordan darauf eingegangen war? Eve konnte den bloßen Gedanken nicht ertragen.
»Ich sollte es dir vielleicht gar nicht erzählen«, fuhr Lexie genüsslich fort, »aber wir sind schließlich Schwestern.« Sie sagte es in einem Tonfall, als behagte es ihr nicht sonderlich. »Halbschwestern, um genau zu sein. Jedenfalls, Jordan ist ein großartiger Liebhaber! Neben ihm sind die einheimischen Männer Anfänger.«
Eve fühlte einen stechenden Schmerz in der Brust, als werde ihr Herz auseinander gerissen. Ihr Glücksgefühl zerplatzte wie eine Seifenblase, und sie hatte nur noch den einen Wunsch, so schnell wie möglich zu fliehen. Doch ein seltsamer Zwang hielt sie zurück, ließ sie weiter zuhören, während Lexie von Jordans leidenschaftlichen Küssen erzählte und davon, wie sie beide sich nackt am Flussufer vergnügt hätten.
Plötzlich kam Eve an Lexies aufgesetzter Fröhlichkeit irgendetwas seltsam vor. »Du lügst«, sagte sie. »Wenn du wirklich eine so traumhafte Nacht erlebt hast, warum bist du heute Morgen in einer so miesen Stimmung?«
»Ich ... ich mache mir Sorgen um Vater«, stieß Lexie hervorund errötete. »Ich habe keinen Grund, dich anzulügen, Evangeline. Als ich nach Eden kam, hat Jordan nackt im Fluss gebadet.« Sie sah die Überraschung in Eves Blick und wusste, dass sie einen wunden Punkt getroffen hatte. »Das Wasser sah so einladend aus«, fuhr sie fort, »aber nicht annähernd so einladend wie Jordans nackter Körper. Da bin ich zu ihm ins Wasser gestiegen. Wahrscheinlich schockiert es dich, dass wir beide nichts anhatten ...« Sie lächelte wieder, doch Eve fand auch dieses Lächeln aufgesetzt. »Er ist ein sehr leidenschaftlicher Mann. Wenn er etwas will, muss er es haben, und zwar sofort.«
Eve ertrug es nicht, auch nur einen Augenblick länger zuzuhören. Sie nahm die Zügel auf und zog so ruckartig daran, dass ihr Pferd wild lospreschte. Der Weg die Auffahrt hinunter verschwamm vor ihren Augen, die vor Tränen fast blind waren.
Lexie sah ihr nach, ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen. »Das wäre geschafft«, sagte sie laut. Dann wandte sie sich ab, um die Stufen zur Veranda hinaufzusteigen – und schaute überrascht auf Letitia, die auf sie hinunter blickte.
Als Jordan nach Hause kam, war er aufgeräumter Stimmung. Die Ausbildung der Feuerwehrmänner machte gute Fortschritte, und die Bewohner von Geraldton freuten sich, endlich einen eigenen Löschwagen mit einer tüchtigen Besatzung zur Verfügung zu haben, der schon lange dringend benötigt wurde.
Jordans einzige Sorge war der Wirbelsturm, der vor der Küste lauerte. Niemand konnte mit Sicherheit sagen, ob er hinaus aufs Meer oder über Land ziehen würde.
»Wir werden alles vernageln müssen, was noch nicht fest ist«, sagte er zu Frankie. »Der Wind ist jetzt schon ziemlich stark. Wo steckt Eve?«
»Sie ist vor einer Weile ausgefahren«, meinte Gaby. »Aber sie hat versprochen, nicht lange fort zu bleiben. Nebo batmich, Ihnen auszurichten, dass er Sie gern sehen würde, sobald Sie zurück sind. Er ist in der Arbeiterbaracke. Irgendjemand ist bei ihm.«
»Wer?«
»Eine Frau. Ich habe keine Ahnung, wie sie heißt, aber Nebo hat anscheinend jemanden losgeschickt, der sie von irgendwo flussaufwärts geholt hat. Sie ist gekommen, während Sie fort waren.«
Als Jordan die Arbeiterbaracke betrat, sah er Nebo neben einer alten Frau auf einer der Pritschen sitzen. Die Frau trug ein schmutziges Kleid, und ihre Füße waren nackt. Auf der Nachbarpritsche lag ein verschlissener Hut. Jordan sah auf Anhieb, dass die Frau fast blind war, doch er erkannte sie nicht.
»Master Jordan«, sagte Nebo, »erinnern Sie sich noch an Lani?«
»Lani!« Plötzlich stiegen Erinnerungen aus der Kindheit in Jordan auf. »Ja, natürlich!« Er kniete vor der alten Frau nieder und nahm ihre runzlige Hand in
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