Im Herzen der Nacht - Roman
ist.«
»Hi, Sunshine. Haben Sie was Neues?«
Sunshine drehte sich um und sah Bride McTierney auf der anderen Seite ihres Wagens herankommen. Hochgewachsen und üppig gebaut, besaß Bride das Gesicht eines Botticelli-Engels. Ihr Haar war so dunkel, dass es schwarz wirkte. Nur unter der Sonne leuchtete es in flammendem Rot. Meistens steckte sie es hoch und ließ ein paar dünne Strähnchen ums Gesicht herumhängen. Diese liebenwerte Frau zählte zu Sunshines Stammkunden, und einige Bilder, die sie ihr abgekauft hatte, hingen in ihrer Boutique.
»Nein, leider nicht«, antwortet Sunshine. »In letzter Zeit habe ich den Jackson Square nicht mehr gemalt. Hauptsächlich arbeite ich an anderen Bildern.«
»Wie schade! Gerade bin ich in mein neues Apartment gezogen, ich hatte gehofft, Sie würden mir was bieten, das die trostlosen, leeren Wände erträglicher macht.«
Erstaunt hob Sunshine die Brauen. Bride hatte ihre Wohnung an der Iberville Street geliebt. »Warum sind Sie umgezogen?«
»Tayler wollte nachts nicht mehr in die City fahren. Deshalb dachte ich, es wäre einfacher, wenn ich in der Nähe seines Arbeitsplatzes wohne.«
»Aber Sie arbeiten im Quarter.«
»Ja, das gehört zu den Opfern, die wir der Liebe bringen müssen.« Brides Lächeln wirkte wie eine Fassade.
Genau das fürchtete Sunshine. Warum ist es immer die Frau, die das Opfer bringen muss? Warum kann’s nicht ausnahmsweise mal der Kerl sein?
Bride seufzte. »Rufen Sie mich an, wenn Sie was für mich haben.«
»Ja, natürlich. Übrigens, Sie sehen fabelhaft aus. Haben Sie abgenommen?«
»Merkt man das?« Bride strahlte über das ganze Gesicht. »Großartig! Aber ich muss Ihnen gestehen, ich bin halb verhungert .«
»Offensichtlich lohnt sich’s.«
»Danke. Tayler hat mich beim Aerobic-Kurs in seinem Club angemeldet, der vier Mal pro Woche stattfindet. Das hat mir enorm geholfen, meine Pfunde loszuwerden.«
»Besonders viel Spaß hat’s Ihnen nicht gemacht, oder?«
Verlegen senkte Bride den Kopf. »Ganz ehrlich gesagt, ich hasse es, einen Jogginganzug anzuziehen und einen Raum zu betreten, in dem gertenschlanke Frauen herumhüpfen - als hätten sie’s nötig abzunehmen! Wenn ich mir das anschaue,
würde ich am liebsten zehn Schokoriegel auf einmal verschlingen.«
»Wem sagen Sie das?« Sunshine lachte. »Nach meiner Ansicht sollte man auch für rundlichere Frauen schicke Outfits entwerfen, nicht nur Kartoffelsäcke.«
»Stimmt. Weil wir gerade von Kleidergrößen und dünnen Frauen reden, ich muss wieder in die Boutique. Passen Sie gut auf sich auf, okay?«
»Klar, und Sie auf sich, Bride.«
Bride schlenderte in die Richtung ihres Ladens, und Vane starrte ihr mit hungrigen Augen nach. Inzwischen war er aufgestanden. »Wer ist das?«
Wie machte er das? Dieser Mann - oder Wolf - bewegte sich völlig lautlos. Irgendwie unheimlich... »Bride McTierney, sie betreibt eine Boutique drüben an der Iberville.«
»Sehr hübsch.«
Sein Geschmack überraschte Sunshine. Den meisten Jungs missfiel Bride wegen ihrer Größe und ihrer Rubensformen. Aber Vane führte sich auf, als hätte er soeben ein Supermodel gesehen. Nun, vielleicht war das vorteilhaft.
Er blinzelte und setzte sich wieder an den Straßenrand.
»Wenn Sie wollen, mache sich Sie mit Bride bekannt«, schlug sie vor.
Er schaute sie an, dann senkte er hastig den Blick. Trotzdem hatte sie ein tiefes Bedauern in seinen grünen Augen gelesen.
»Besser nicht. Wölfe verkehren nicht mit Menschen. Sobald ihr rausfindet, wer wir sind, flippt ihr aus. Außerdem sind die meisten Menschenfrauen furchtbar zerbrechlich. Und ich mag’s nicht, wenn ich mich vor lauter Angst, ich würde meine Partnerin bei der Paarung zerquetschen, zurückhalten muss.«
»Und da ermahnen mich die Leute, ich sollte nicht immer sagen, was ich denke! Heiliger Himmel! Sind sie völlig hemmungslos?«
»Da ich kein Mensch bin, kenne ich keine Schamgrenzen.«
Ja, das klang plausibel. Aber sie fand es bedauerlich. Bride würde einen Mann verdienen, der sie so akzeptierte, wie sie war, und sie nicht zu brutalen Diäten oder sportlichen Qualen zwang.
»Was läuft eigentlich zwischen Ihnen und dem Kelten?«, fragte Vane nach ein paar Minuten. »Nur Sex? Oder steckt mehr dahinter?«
»Warum fragen Sie danach?«
»Weil ich Ihnen so viele Fragen beantwortet habe, dass es für einen ganzen Physikkurs reichen würde. Also wär’s nur fair, wenn Sie mir auch ein bisschen was erzählen.«
Sunshine setzte sich zu
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