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Im Land der gefiederten Schlange

Im Land der gefiederten Schlange

Titel: Im Land der gefiederten Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carmen lobato
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jetzt ausnahmsweise nicht unverschämt, sondern vernünftig sein und dich nach Hause bringen lassen?«, fragte er.
    Furcht ballte sich in ihrer Kehle, so dass sie das
Nein
nicht herausbrachte.
    Er musste ihr angesehen haben, was in ihr vorging, denn er berührte ihre Wange und sagte: »Nur für heute.«
    Der Knoten in ihrer Kehle löste sich. »Ich will aber nicht. Ich habe so lange gebraucht, um dich zurückzubekommen, wie kann ich dich so schnell wieder loslassen?«
    »Bitte, Ichtaca.« Von neuem versuchte er sich ihr zu entwinden, sah aber schnell ein, dass er mit seinen sachten Bewegungen gegen ihre Entschlossenheit nichts ausrichten konnte. »Ich muss unbedingt gehen. Ich habe eine wichtige Verabredung verpasst und muss zusehen, wie ich das wieder in Ordnung bringe.«
    »Eine Verabredung? Mit wem denn, etwa mit deiner Helen, die dich ansieht, als würde sie dich gern zum Nachtmahl verspeisen?«
    Er lachte schon wieder. »Eigentlich sollte ich dir jetzt erklären, dass es dich einen gesalzenen Käse angeht, mit wem ich mich verabrede, und dass ich dir verbiete zu beobachten, wer mich ansieht oder zum Nachtmahl verspeist.«
    »Solltest du?«, fragte sie.
    »Allerdings.«
    »Aber du tust es nicht.«
    Er stöhnte, zog sie an sich und hielt sie so fest, dass ihr die Rippen schmerzten. »Nein, ich tue es nicht«, murmelte er, »und warum, weiß ich selbst nicht. Vielleicht, weil mein Leben nicht kompliziert genug ist. Oder weil mein Bruder gesagt hat, er habe Angst, dass mein Zynismus mich auffrisst.«
    »Oder weil du mich liebhast. Mit wem warst du verabredet?«
    »Mit dem Zeugoffizier von Veracruz. Und bevor du fragst: Das ist der Mann, der die Aufsicht über das Zeughaus innehat, also über die Ausrüstung, die an Militäreinheiten ausgegeben wird.«
    »Und was hat das mit dir zu tun?« Ihr Herz begann hohl zu hämmern. »Du hast doch gesagt, du gehst nicht in den Krieg!«
    »Ich nicht«, erwiderte er und ließ sie los. »Aber mein Bruder.«
    »Und dieser Zeugoffizier …«
    »Wollte mir ein paar Sachen übergeben, die die Männer in den Bergen brauchen.«
    »Was für Sachen? Und was für Männer in den Bergen?«
    Benito seufzte, ließ sich schließlich auf den Boden nieder und lehnte den Rücken an die Wand. Mittlerweile hatte es begonnen zu dunkeln, und die Abendkühle verriet den nahen Herbst. Katharina setzte sich neben ihn und legte ihren Kopf an seine Schulter. Er wandte ihr sein Gesicht zu. »Du weißt überhaupt nichts von diesem Krieg, nicht wahr?«
    »Müsste ich denn etwas davon wissen? Ich dachte, der Krieg findet irgendwo im Norden statt und kümmert uns nicht.«
    »Nicht zu fassen. Glaubt ihr das wirklich, Ichtaca? Dass ihr in diesem Land leben könnt wie auf eurer Insel der Seligen, und das, was in diesem Land geschieht, geht euch nichts an?«
    Kleinlaut zuckte sie mit den Schultern. »Bitte erklär es mir«, sagte sie. »Wenn es dich angeht, geht es auch mich an. Was macht dein Bruder in den Bergen, und was machst du mit den Sachen von diesem Zeugoffizier?«
    Kurz überlegte er, dann gab er sich geschlagen. »Du wirst deiner Familie kein Sterbenswort davon erzählen, versprichst du mir das? Ich sollte mir eher die Hand abhacken, als davon zu sprechen, aber in deinen Händen scheine ich weicher als Bohnenmus zu sein.«
    Sie küsste seine Hand. »Ich verspreche es dir. So wie wir es uns damals im Heu versprochen haben. Was wir uns sagen, gehört uns, sonst keinem auf der Welt.«
    Benito nickte. »Mein Bruder und seine Einheit werden in einem geheimen Lager als Guerilleros ausgebildet«, begann er, und dann erzählte er ihr, wie Miguel in den Bergen lebte, wie er jeden Monat Proviant und Ausrüstung zu ihm in das Hochtal brachte und wie das, was die Armee ihm für die Soldaten gab, nie genügte, sondern höchstens ein Tropfen auf den heißen Stein war.
    Katharina hatte Miguel nie gemocht. Er gehörte zu denen, die sie von Benito trennen wollten. Jetzt aber wünschte sie, sie hätte etwas tun können, um ihm zu helfen. »Warum tun die Männer das?«, fragte sie. »Werden die Guerilleros, wenn sie fertig ausgebildet sind, in den Norden gebracht, um dort zu kämpfen?«
    Benito schüttelte den Kopf. »An Männern mangelt es im Norden nicht. Es sind Waffen, die fehlen. In der Schlacht von Palo Alto sollen nicht mehr als acht Geschütze aufgefahren sein, die meisten davon nicht schwerer als Sechspfünder. Außerdem sind die nordamerikanischen Soldaten glänzend geschult, während unsere Männer kaum wissen,

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