Im Land der weissen Rose
er der enttäuschten Gwyneira, würde sicher
ein bis zwei Tage in Anspruch nehmen. Sie sollte sich derweil
ausruhen; bestimmt habe die lange Reise sie angestrengt.
Gwyneira hatte die Ãœberfahrt eher gelangweilt. Noch mehr
Untätigkeit wünschte sie sich am allerwenigsten. So nutzte
sie den Vormittag jetzt auch erst mal für einen Ausritt und
geriet darüber gleich wieder mit Gerald aneinander. Dabei fing
es eigentlich gut an: Warden verlor zunächst kein Wort über
ihre Ankündigung, Igraine satteln zu lassen. Erst als Mrs.
Brewster entsetzt anmerkte, man könne eine Dame doch unmöglich
ohne Begleitung aufs Pferd lassen, machte der Schaf-Baron eine
Kehrtwendung.Auf keinen Fall wollte er seiner künftigen
Schwiegertochter irgendetwas erlauben, was in feinen Kreisen als
unschicklich galt. Leider gab es hier keine Stallburschen und
natürlich erst recht keine Zofen, die das Mädchen auf einem
Ausritt begleiten konnten. Schon das Ansinnen schien dem
Hotelbesitzer befremdlich: In Christchurch, so machte er Mrs.
Brewster ziemlich unmissverständlich klar, ritte man nicht zum
Vergnügen, sondern um irgendwohin zu kommen. Gwyneiras
Begründung, ihr Pferd nach der langen Zeit des Stehens auf dem
Schiff bewegen zu wollen, konnte der Mann zwar nachvollziehen, war
aber weder bereit noch fähig, ihr dabei eine Begleitung zu
stellen. Schließlich schlug Lady Barrington ihren Sohn vor, und
der erklärte sich auch gleich bereit, auf Madoc mitzureiten. Der
vierzehnjährige Viscount war zwar nicht der ideale
Anstandswauwau, doch Gerald fiel das nicht auf, und Mrs. Brewster
hielt den Mund, um Lady Barrington nicht zu verärgern. Gwyneira
hatte den jungen Charles auf der Reise immer für ziemlich
langweilig gehalten, aber jetzt erwies er sich zum Glück als
schneidiger Reiter – und ausreichend verschwiegen. So verriet
er seiner entsetzten Mutter nicht, dass Gwyneiras Damensattel längst
eingetroffen war, sondern bestätigte dem Mädchen, dass
bislang leider nur der Herrensattel zur Verfügung stand. Und
dann tat er auch noch so, als könnte er Madoc nicht halten, ließ
den Hengst vom Hof des Hotels stürmen und gab Gwyn damit die
Chance, ihm ohne weitere Diskussionen über Schicklichkeit zu
folgen. Beide lachten,als sie Christchurch im flotten Trab hinter
sich ließen.
»Wer zuerst bei dem Haus da hinten ist!«, rief Charles
und ließ Madoc angaloppieren. Für Gwyns hochgerutschte
Röcke hatte er keinen Blick. Ein Pferderennen über endloses
Grasland berauschte ihn bislang noch deutlich mehr als die Formen
einer Frau.
Gegen Mittag waren die beiden zurück und hatten sich blendend
amüsiert. Die Pferde schnaubten zufrieden, Cleo schien wieder
mal übers ganze Gesicht zu lachen, und Gwyn fand sogar Zeit,
ihre Röcke zu ordnen, bevor sie die Stadt durchquerten.
»Auf die Dauer muss mir dazu irgendwas einfallen«,
murmelte sie und drapierte die rechte Seite des Rocks züchtig
über ihr Fußgelenk. Links rutschte das Kleid daraufhin
natürlich noch höher. »Vielleicht schneide ich hinten
einfach einen Schlitz rein!«
»Das geht aber nur gut, solange kein Wind weht.« Ihr
junger Begleiter grinste. »Und solange Sie nicht galoppieren.
Sonst fliegt der Rock hoch, und man sieht Ihr... äh ... na ja,
was Sie eben so daruntertragen. Meine Mutter würde
wahrscheinlich in Ohnmacht fallen!«
Gwyneira kicherte. »Stimmt.Ach, ich wünschte, ich
könnte einfach Hosen anziehen. Ihr Männer wisst gar nicht,
wie gut ihr es habt!«
Am Nachmittag, pünktlich zur Teestunde, machte sie sich auf,
um nach Helen zu suchen. Natürlich riskierte sie, dabei Howard
O’Keefe über den Weg zu laufen, was Gerald sicher
missbilligen würde.Aber erstens brannte sie vor Neugier, und
zweitens konnte Gerald eigentlich nichts dabei finden, wenn sie dem
Pfarrer des Ortes ihre Aufwartung machte. Der Mann sollte sie
schließlich trauen, also war ein Antrittsbesuch sogar ein Gebot
der Höflichkeit.
Gwyn fand das Pfarrhaus auch sofort und wurde selbstverständlich
gastlich aufgenommen. Tatsächlich scharwenzelte Mrs. Baldwin
sogar um ihre Besucherin herum, als gehörte sie mindestens zum
Königshaus. Helen glaubte allerdings nicht, dass dies auf ihre
adelige Abstammung zurückzuführen war. Die Baldwins
hofierten nicht Familie Silkham, für sie war Gerald Warden die
gesellschaftliche Größe! Allerdings
Weitere Kostenlose Bücher