Im Land des Roten Ahorns
denen eines fast ganz zugeschwollen war.
»Jaqueline ...«, brachte er keuchend hervor.
»Ja, ich bin es, Christoph.« Jaqueline unterdrückte die Tränen so gut wie möglich und nahm Christophs Hand. »Was ist passiert?«
»Drei ... Fahrkrogs ...«
»Fahrkrogs Männer haben Sie angegriffen?«, fragte Jaqueline, worauf er schwach nickte.
»Was wollten die hier?«
Christoph schluckte, brachte aber kein Wort heraus.
»Schon gut. Ich werde Hilfe holen«, sagte sie und wollte sich von ihm lösen, doch er klammerte sich überraschend fest an sie.
»Haben Sie keine Angst, Doktor Sauerkamp wird Ihnen helfen.«
»Ich ... Ich wollte ... nur ...«
»Psst!«, machte Jaqueline, die erkannt hatte, dass er all seine Kraft aufbringen musste, um zu sprechen. Schweiß perlte ihm von der Stirn. »Das können Sie mir auch noch sagen, wenn es Ihnen wieder besser geht.«
Aber Christoph holte erneut tief Luft und presste zitternd hervor: »Ich ... hoffe, dass Sie ... Ihr Glück ...«
Daraufhin zuckte sein Körper zusammen und erschlaffte. Christophs Blick wurde starr.
»Nein!«, flüsterte Jaqueline, ungläubig den Kopf schüttelnd. Dann begann sie hemmungslos zu weinen.
Nur wenige Minuten später rannte Jaqueline wie von Sinnen die Mönckebergstraße entlang. Es kümmerte sie nicht, dass ihr Mantel offen stand und sie die Handschuhe vergessen hatte. Ihr Magen fühlte sich an, als sei er voller Scherben, ihr Herz raste, und ihr Kopf war wie leergefegt.
Es wäre das Vernünftigste gewesen, zur Polizei zu laufen, doch in ihrem Zustand wollte ihr nur ein Ort einfallen, an dem sie sicher war. Sie stürmte an den letzten abendlichen Passanten vorbei, das Murren ignorierend, wenn sie einen von ihnen versehentlich anstieß.
Die Dunkelheit war bereits hereingebrochen, als sie ihr Ziel erreichte. Sie betätigte den Türklopfer und lehnte sich wie betäubt gegen die Wand. Obwohl sie im Abendwind fröstelte, dachte sie nicht daran, den Mantel zu schließen.
Endlich ertönten Schritte, und die Tür wurde einen Spalt aufgezogen.
Vor Angst und Kälte zitternd, blickte Jaqueline in Petersens Gesicht.
»Um Himmels willen, was ist passiert?«
»Einbrecher«, stieß sie erschöpft hervor. »Sie haben Christoph ermordet.«
Bevor Petersen antworten konnte, sank sie ihm ohnmächtig entgegen.
Gedämpftes Licht. Der Geruch von Fleisch und Gemüse. Wo bin ich?, fragte sich Jaqueline. Die Essensdünste verursachten ihr Übelkeit.
Während das Kaminfeuer sie angenehm wärmte, klärten sich ihre Gedanken. Nach und nach kehrte die Erinnerung zurück.
»Sie steht unter Schock«, wisperte eine Frauenstimme. »Wir sollten den Arzt rufen, vielleicht haben diese Kerle auch ihr etwas angetan. Immerhin hat sie Blut auf dem Kleid.«
»Mir geht es gut«, sagte Jaqueline.
Dass sie unter Schock stand, mochte stimmen, aber einen Arzt wollte sie nicht.
Sogleich eilten Martin Petersen und seine Frau zu ihr.
Marie Petersen setzte sich neben sie. »Fräulein Halstenbek, ist wirklich alles in Ordnung mit Ihnen?«
Jaqueline nickte. »Mir fehlt nichts. Ich habe Christoph gefunden, als die Männer bereits fort waren.«
Der Gedanke an Christophs Worte trieb ihr erneut die Tränen in die Augen.
»Haben Sie schon die Polizei benachrichtigt?«, fragte Petersen, worauf Jaqueline den Kopf schüttelte.
»Nein, ich wollte zuerst zu Ihnen. Sie sind der Einzige, zu dem ich Vertrauen habe.«
Martin Petersen hätte sich geschmeichelt fühlen können, doch der Ausdruck, der nun auf sein Gesicht trat, verriet Besorgnis.
»Dann werde ich die Polizei zu Ihrem Haus schicken. Wissen Sie mit Sicherheit, dass es Fahrkrogs Leute waren?«
»Christoph hat es mir gesagt, als er ...«
»Er hat also noch gelebt?«
»Ja, er konnte noch etwas sagen, bevor er starb.« Jaqueline bemühte sich, die Übelkeit zu verdrängen, die sie erneut überkam.
»Haben Sie irgendwas Ungewöhnliches bemerkt? Eine Waffe vielleicht?«
Jaqueline schüttelte den Kopf. »Keine Waffe, aber an der Tür waren Kratzspuren. Offenbar hatte sich jemand daran zu schaffen gemacht.«
Martin Petersen blickte zu seiner Frau. »Kümmere dich um Fräulein Halstenbek, ich werde erst mal nach dem Rechten sehen.«
»Bitte pass auf dich auf!«, gab sie ihm mit auf den Weg, worauf er sie beruhigte.
»Ich werde nicht ohne die Polizei dort auftauchen. Du brauchst dir also keine Sorgen zu machen.«
Mit einem ermutigenden Lächeln verschwand er im Flur.
Durch Marie Petersens Fürsorge beruhigte Jaqueline sich ein
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