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Im Leben gibt es keine Proben (German Edition)

Im Leben gibt es keine Proben (German Edition)

Titel: Im Leben gibt es keine Proben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Biermann
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die hat doch gerade eine Neubauwohnung bekommen!« So seine überzeugende Devise.
    Das mit der Neubauwohnung kam so: Meine Mutter heiratete Anfang der siebziger Jahre ein zweites Mal. Dieser Mann lebte mit seinem Sohn in einer Sechs-Zimmer-Wohnung in Köpenick, direkt am Wasser. Er zog zu meiner Mutter ins Haus nach Adlershof, der Sohn bekam eine kleine Wohnung. Benno Besson bezog mit seiner Frau Usch Karusseit und dem gemeinsamen Sohn Pierre die große Wohnung in Köpenick, und mir besorgte er eine Ein-Zimmer-Neubauwohnung am Leninplatz. Das war gegen meine Studentenbude mit Klo eine halbe Treppe tiefer der wahre Luxus: Loggia, Fernwärme, warmes Wasser, eine Badewanne. Dazu nur noch fünfzehn Minuten Fußweg zur Volksbühne. Angelica Domröse und Hilmar Thate, damals schwer verliebt und ohne eigene Wohnung, weil sie die jeweils ihren Noch-Ehepartnern überlassen hatten, bewohnten zu der Zeit ein 14-Quadratmeter-Schließfach in Lichtenberg. Der große Brecht-Mime und die »Brigitte Bardot der DDR «!
    Einige Zeit später ergab es sich, dass eine Nachbarin mit einer Zwei-Zimmer-Wohnung lieber in meine kleine ziehen wollte. Ich hätte mich über ein Zimmer mehr gefreut, also beantragten wir bei der Abteilung Wohnungswirtschaft die Genehmigung für den Tausch. Mein damaliger Arbeitgeber, der Künstlerisch-Technische Direktor der Volksbühne Dieter Klein, unterstützte meinen Wunsch mit einem entsprechenden Schreiben, und auch der Vorsitzende der HGL , also der Hausgemeinschafts-Leitung, erklärte sich schriftlich einverstanden.
    All das nützte nichts, die Nachbarin und ich hatten zu bleiben, wo wir einmal hingesteckt worden waren. Es handelte sich übrigens um ein Zimmer von 2,50 mal 2,60 Metern Größe. So viel zum Thema Wohnungssuche in der DDR .
    Aber zurück zu den Gastspielen.
    In Florenz besuchte ich die Uffizien, befolgte den Rat derer, die schon mal dort gewesen waren: Such dir einen Maler, einen Saal aus, sonst wirst du verrückt. Ich nahm mir Botticelli vor. Und dann stand ich vor dem zwei mal drei Meter großen Primavera . Über meinem Schreibtisch daheim hing der Frühling als Postkarte, ich glaubte, jeden Strich zu kennen. Doch der Anblick des Originals überwältigte mich. Die Farben leuchten intensiver, die Figuren wirken anmutiger, die über allem schwebende Putte hatte ich so anrührend nie wahrgenommen.
    Annemone Haase war mir eine wunderbare Begleiterin, sie weiß viel über Kunst. Mit ihr entdeckte ich etliche kleine Kostbarkeiten – einen Park, ein Palais, einen besonders schönen Ausblick. Ich mag keine Gruppen, Massenansammlungen schon gar nicht, ich bin ein Mensch für den Alleingang, manchmal Zweigang. Wenn es schön ist auch Drei- und Viergang, aber mehr nicht.
    Ein Gastspiel erlebte ich besonders intensiv, das in Jerusalem. Es war Anfang der achtziger Jahre, Israel so alt wie die DDR , für Ostdeutsche kein Reiseland, wenn auch die Kibbuze eine Art Sozialismus auf der Scholle sind. Ich fragte mich, ob das Lebensmodell aufgehen kann, dass allen alles gehört und niemand sich bereichert.
    Die Via Dolorosa, den Kreuzweg in zwölf Stationen, hatte ich mir im Religionsunterricht gewaltig vorgestellt, in Wirklichkeit ist er eine Kurzstrecke. Vor der Himmelfahrtsmoschee am Ölberg wurden Kamele verkauft. Als wir die Kirche betreten wollten, hielten uns Araber auf, weil sie unbedingt Franziska Troegner kaufen wollten. 24 Kamele boten sie!
    Einmal badete ich im Toten Meer, Brustschwimmen war unmöglich. Und weil ich mich danach nicht abgeduscht hatte, krümelte und krabbelte das Salz bis zum Abend.
    Im Nathan heißt es: »Das ist das Land der Wunder.«
    Yad Vashem. Denkmal für die 1,5 Millionen von den Nazis ermordeten Kinder. Ein unterirdischer, dunkler Raum. Kerzen reflektieren ihr Licht, dass die Illusion eines Sternenhimmels entsteht. Ein Tonband läuft, sagt die Namen der Kinder, ihr Alter, ihren Geburtsort. Man hört das Atmen der Kinder. Niemand, der in dieser Halle nicht weint.
    Renate Richter, Stefan Lisewski und ich haben einen Kranz vom Ensemble niedergelegt und ein Bäumchen gepflanzt.
    Mit Stefan Lisewski wollte ich auf den arabischen Basar. Hastig kauften wir ein paar Gewürze, denn eine Bombenwarnung trieb uns zurück ins Hotel.
    Und dann die Klagemauer. Eine für Frauen, eine für Männer. Steine, Steine, Steine und in den Ritzen Millionen kleiner Zettel mit Bitten, vielleicht auch Danksagungen. Am liebsten hätte ich einen rausgezogen und gelesen. Ergreifend zu sehen, wie Menschen

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