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Im Netz des Teufels

Im Netz des Teufels

Titel: Im Netz des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Montanari
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Augen starrte Vänskä auf das lange, furchterregende Messer. Aleks strich mit einem Finger über den perfekt geschmiedeten Stahl. Die Klinge schien in die Dunkelheit der Nacht einzutauchen.
    »Sie sollten eines wissen, Mikko Vänskä. Ich stelle eine Frage immer nur ein Mal. Ich stelle Ihnen jetzt eine Frage, und Sie werden sie wahrheitsgemäß beantworten. Dann trennen sich unsere Wege.«
    Vänskä, dessen Knie stark zitterten, hatte Mühe, aufrecht zu stehen. Er schwieg.
    »Vor vier Jahren haben Sie kurz vor Ostern die illegale Adoption zweier neugeborener estnischer Babys vermittelt«, sagte Aleks. »Die Kinder wurden aus dem Bett ihrer Mutter im Kreis Ida-Viru gestohlen. Das weiß ich ganz sicher. Wer war Ihr Kontaktmann auf der anderen Seite?«
    »Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen.«
    Aleks riss die Klinge so schnell hoch, dass Vänskä im ersten Augenblick nur den Luftzug spürte und nicht wusste, was geschehen war. Eine Sekunde später wusste er es nur zu genau. Der Mann hatte ihm das linke Auge aufgeschlitzt. Vänskä sank auf die Knie. Zwischen seinen Fingern quoll Blut hervor, und seine Schreie hallten über die Hügel. Aleks kniete sich hin und presste eine Hand auf den Mund des Mannes. Das Dröhnen eines Flugzeugs übertönte die Schreie.
    »Der Mensch kann mit einem Auge leben, nicht wahr?«, sagte Aleks, als wieder Stille eingekehrt war. »Er kann aber nicht ohne Herz leben.« Aleks drückte die Spitze der Klinge auf das Herz des Mannes.
    »Ein Mann«, stammelte Vänskä keuchend, dessen ganzes Gesicht von Rinnsalen dunklen Blutes überzogen war. »Sein Name ist Harkov. Viktor Harkov.«
    »Ein Russe?«
    Vänskä nickte.
    »Hält er sich in Russland auf?«
    Der Mann schüttelte den Kopf. Aus der offenen Wunde floss Blut. »Er ist in New York City.«
    Die Vereinigten Staaten , dachte Aleks. Damit hatte er nicht gerechnet. Anna und Marya waren jetzt amerikanische Kinder. Er würde eine Menge unternehmen müssen, um das rückgängig zu machen. Und er stand ganz neuen Problemen gegenüber, wenn er sie aus dem Land schleusen wollte. »New York City ist groß«, sagte Aleks. »Wo in der Stadt finde ich ihn?«
    Einen Augenblick lang sah es so aus, als erleide Vänskä einen Schock. Aleks brach eine Ammoniakkapsel auf und hielt sie ihm unter die Nase. Der Mann würgte und atmete tief ein. »Queens, New York City.«
    Queens , dachte Aleks. Er kannte jemanden in New York City, einen Mann namens Konstantine Udenko. Mit ihm hatte er in der russischen Armee gedient. Konstantine würde ihm helfen, Viktor Harkov aufzuspüren.
    Aleks’ Blick glitt über Vänskäs Gesicht oder vielmehr das, was davon unter der glänzenden Schicht frischen Blutes zu erkennen war. Er glaubte ihm. Der Mann hatte keine andere Wahl. Aleks, der Handschuhe trug, legte eine Hand unter Vänskäs Kinn und starrte in dessen gesundes Auge. »Sie haben mir gesagt, was ich wissen muss. Ich gehe davon aus, dass Sie ein weiser, ehrenhafter Mann sind. Ich lasse Sie leben.« Aleks trat dicht an den Mann heran. »Ich möchte aber, dass Sie Ihren Leuten von mir erzählen, von diesem Mann aus Kolossova, den man ernst nehmen muss und der nicht getötet werden kann. Werden Sie das tun?«
    Vänskä nickte zögernd.
    »Gut.« Aleks half dem Mann hoch. Er war schwer und unternahm selbst nichts, um wieder auf die Beine zu kommen. Das war aber kein Problem, denn Aleks hatte starke Arme und einen kräftigen Rücken. »Wo ist das nächste Krankenhaus?«
    Vänskä zögerte. Damit hatte er nicht gerechnet. »Im Westen der Innenstadt. In der Ravistraße.«
    »Ich habe einen Wagen«, sagte Aleks. Er zeigte auf den Bergrücken. »Gleich hinter der Biegung. Ich bringe Sie hin. Kennen Sie den Weg?«
    »Ja.«
    »Können Sie gehen?«
    Der Mann hatte Mühe, sich zu fassen. »Ich ... ich glaub schon.«
    Aleks spähte über Vänskäs Schulter. Er sah, dass sich der Mond auf der glatten Oberfläche des Ülemiste-Sees spiegelte. Er erinnerte sich an warme Sommernächte in seiner Jugend, als er aus dem Fenster seines stickigen Zimmers im Waisenheim auf das glitzernde Wasser der Narwa schaute und sich immer fragte, was wohl an der Quelle und an der Mündung lag.
    Aleks dachte an seine kleinen Mädchen und den Mann vor ihm. Grenzenlose Wut stieg in ihm hoch, als ...
    ... der stechende Gestank verbrannten Fleisches wie eine Wolke über Grosny liegt, eine feuchte rote Decke des Todes. In diesen höllischen Augenblicken, da der Tod die Welt rings um ihn herum erschüttert, spürt er

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