Im Netz des Verbrechens
wurde heftiger, panischer. »Ich weiß nicht. Ich weiß nicht. Juna! Was sollen wir nur tun? Er ist so … böse …« Pyschka warf sich hin und her, schlug mit den Armen umher, schrie. Ein Hieb traf Junas Hand, und sie verlor die Taschenlampe.
»Hör auf. Sei still!« Sie drückte ihre Freundin in die Ecke, hielt ihr die Arme fest.
»Juna …«
»Sei still!« Sie horchte. Da. Schritte auf dem Steinboden. Jemand kam in ihre Richtung. »Sei still, sei jetzt ganz still.« Verzweifelt drückte Juna ihre Hand auf Pyschkas Mund, aber das Wimmern drang auch durch die Handfläche. Mit ihrem eigenen Körper spürte sie, wie Pyschka zitterte.
Bitte sei still! Sei still …
Pyschka verharrte. Endlich. Es wird alles gut, ganz bestimmt.
Die Taschenlampe! Vom Korridor aus war das Licht mehr als deutlich zu sehen. Sie wollte hin, doch die Schritte waren bereits viel zu nah.
Und hielten neben der Tür an.
Bewusst atmen. Ruhe bewahren. Egal was passiert.
Mehr konnte sie nicht tun. Nur hoffen, dass der Killer da draußen weitergeht.
Aber er ging nicht weiter. Worauf wartete er? Hatte er etwas gehört?
Die Tür flog auf und krachte gegen die Wand. Juna zuckte zusammen und erstarrte, als das Licht einer Taschenlampe auf ihr Gesicht fiel. Sie kniff die Augen zusammen und riss die Arme hoch, als könnte sie damit einen Schuss aufhalten.
Aber es kam kein Schuss.
Ihr Herz klopfte so heftig, dass sie das Rauschen des Blutes in ihrem Kopf hörte.
»Juna …«
Dieses Rauschen, das so sehr nach mon chouchou klang.
Sie schloss die Augen. Nein, sie durfte nicht heulen! Und dennoch spürte sie warme Tränen, die sich unter ihren Lidern sammelten. Nicht heulen. Nicht vor ihm.
Sie legte die Hände vor das Gesicht und hielt sich die Augen zu. In der alles verschlingenden Dunkelheit nahm sie ihren eigenen Körper wahr, der langsam aufzutauen schien.Die Taubheit wich. Der Puls beruhigte sich langsam.
»Juna.« Er war bei ihr. Ihr Körper reagierte auf seine Nähe mit einem Verrat, wollte sich an ihn schmiegen, sich in seiner Umarmung verlieren. »Bist du verletzt?«
Sie spürte seine Hände, die sie untersuchten. Die Berührungen, die sie so vermisst hatte. Sie wusste gar nicht, dass ihr dieser Mensch so fehlen konnte.
»Nein«, flüsterte sie. »Es ist nicht mein Blut.
Langsam nahm sie die Hände vom Gesicht, zuversichtlich, nicht in Tränen ausbrechen zu müssen. Noch war es nicht vorbei. Irgendwo im Gebäude lauerte der Killer.
»W-wer ist das?«, stotterte Pyschka. Verwirrt und ein bisschen benommen blinzelte sie ihre Freundin an. »D-das ist doch … der … der …«
»Niemand«, fiel Juna ihr ins Wort. Nur derjenige, vor dem sie ans andere Ende der Welt fliehen wollte. Von dem sie sich so betrogen fühlte.
Nick stand auf. Sie konnte beinahe spüren, wie angespannt er mit einem Mal war. Sein Gesicht glich einer Maske. »Ich bringe euch hier raus.«
Ihr Nick. Ein Polizist! Und sie spürte keine Panik bei dieser Vorstellung. Hatte das I Ging ihr nicht vorausgesagt, sie solle bei ihm bleiben und nicht handeln?
Unternehmungen bringen Unheil.
Nichts, das fördernd wäre.
»Juna, bitte. Lass mich euch helfen. Komm mit mir. Ich habe zumindest eine Waffe.«
Sie nickte knapp. Ja, mit einer Waffe konnte sie natürlich nicht punkten. Sie verbat sich, an Makar zu denken, der auch eine Waffe hatte, und half ihrer Pyschka auf die Beine. »Komm. Wir müssen jetzt los. Keine Angst. Wir schaffen es raus. Alles wird gut, hörst du mich?«
Pyschkas warmer Körper schmiegte sich an sie. So viel Vertrauen in diesem zitternden Bündel Mensch! Sie musste dafür Sorge tragen, dass sie ihr Versprechen auch hielt. Sie mussten es hier rausschaffen!
»Bleibt hinter mir«, befahl er und trat zur Tür. Aus dem Flur kam kein Ton. Aber konnte man dieser Stille trauen?
»Hast du gesehen Killer? Er ist noch hier, richtig?«
»Ich habe ihn nicht gesehen. Wenn er seinen Auftrag erfüllt hat, dann ist er womöglich schon weg.«
»Wie hast du gefunden mich?«
»Ich bin dir und Pryschtsch vom Club aus gefolgt. Und jetzt kein Wort mehr!« Er spähte in den Flur und machte ihr ein Zeichen zu folgen.
Sie hob ihre Taschenlampe und kam hinter ihm her. Pyschka klammerte sich an sie und erschwerte das Vorankommen, aber sie hütete sich davor zu jammern. Es war ein Wunder, dass Pyschka überhaupt noch in der Lage war, selbstständig zu gehen und sich nicht in irgendeiner Ecke verkroch.
Die Pistole im Anschlag schlich er den Korridor entlang. Seine
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