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Im Schatten der Akazie

Im Schatten der Akazie

Titel: Im Schatten der Akazie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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bestimmten Strauches an, die ein Gegenmittel gegen das Gift von Schlangen enthielten.
    »Du hast die Menge der Opfergaben für die Götter erhöht«, sagte Ramses zu Setaou. »Außerdem hast du zum Nutzen der königlichen Speicher die Erträge der Felder gesteigert, hast in dieser bewegten Provinz Frieden geschaffen, in ganz Nubien Heiligtümer errichtet und stets die Wahrheit der Lüge vorgezogen. Was würdest du davon halten, hier der Vertreter der Gerechtigkeit der Maat zu werden?«
    »Aber … das ist das Vorrecht des Vizekönigs!«
    »Das habe ich nicht vergessen, mein Freund. Bist du nicht der neue Vizekönig von Nubien, mit einem Erlaß aus dem Jahr achtunddreißig meiner Herrschaft dazu ernannt?«
    Setaou suchte nach Worten, um zu widersprechen, doch Ramses ließ ihm dazu keine Zeit.
    »Du kannst nicht ablehnen. Auch für dich ist dieses Erdbeben ein Zeichen. Dein Leben erhält heute eine neue Bedeutung. Du weißt, wie sehr ich diesen Landstrich liebe, gib gut auf ihn acht, Setaou.«
    Der Schlangenkundige entschwand in der von Wohlgerüchen erfüllten Dunkelheit. Er hatte das Bedürfnis, allein zu sein, um 316

    diese Entscheidung, die ihn zu einem der wichtigsten Männer im Staate erhob, geistig zu verarbeiten.
    »Majestät, gestattest du mir, dir eine ungebührliche Frage zu stellen?« bat Lotos.
    »Ist das nicht ein Abend, der Ausnahmen rechtfertigt?«
    »Weshalb hast du so lange damit gewartet, Setaou zum Vizekönig von Nubien zu ernennen?«
    »Er mußte lernen, Nubien zu verwalten, ohne es zu merken.
    Heute lebt er, wie es seiner Berufung entspricht, und gehorcht einer inneren Stimme, die nach und nach in ihm erwacht ist.
    Nichts hat seine Sinnesart zu verderben, zu entwürdigen vermocht. Und er hat die Zeit gebraucht, die nötig war, bis er sich dessen bewußt wurde.«
    317

    FÜNFUNDVIERZIG
    AMSES BETRAT ALLEIN den großen Tempel von Abu S
    R imbel, um das Morgenritual abzuhalten. Er folgte dem Lichtstrom, der zum Naos führte und zunächst auf die Sitzstatuen des Gottes Amun und des königlichen Ka und dann auf die des Re-Harachte fiel. Der Pharao und nicht der mit der Ausübung dieses Amtes auf Erden betraute Mensch war hier mit dem verborgenen Gott und dem göttlichen Licht vereint, mit den zwei großen Schöpfern, die unter dem Namen Amun-Re zu einem vollendeten Wesen verschmolzen.
    Die vierte Statue, die des Gottes Ptah, blieb im Dunkeln. Als Sohn des Ptah verkörperte der Pharao den Baumeister seines Königreiches und eine der Grundfesten seines Volkes, und er war auch der Mittler des göttlichen Wortes, dank dessen alle Dinge ihre Wirklichkeit erlangten. Der König dachte an seinen Sohn Kha, den Oberpriester des Ptah, der sich dafür entschieden hatte, den Weg zur Ergründung dieses Geheimnisses zu beschreiten.
    Als der Herrscher den großen Tempel verließ, lag sanftes Licht über dem mit Bäumen bestandenen Vorplatz und schmeichelte dem warmen Farbton des nubischen Sandsteins.
    Ramses wandte sich dem Tempel zu, der Nefertari geweiht war, für die sich die Sonne erhob.
    Und diese Sonne, die Nährmutter Ägyptens, würde sich bis ans Ende der Zeit für die Große königliche Gemahlin erheben, die mit ihrer Schönheit und Weisheit die Beiden Länder erhellt hatte.
    Von Bildhauern und Malern unsterblich gemacht, ließ die Königin in Ramses die Sehnsucht nach dem Jenseits erwachsen, in dem er endlich wieder mit ihr vereint sein würde.
    Er flehte sie an, von diesen Wänden herabzusteigen, auf denen 318

    sie mit ihren Brüdern, den Göttern, und ihren Schwestern, den Göttinnen, für immer jung und schön fortlebte, und ihn an der Hand zu nehmen, sie, die das Fruchtland ergrünen und den Nil glitzern ließ. Doch Nefertari segelte in der Sonnenbarke über den Himmel und lächelte ihm nur zu. Die Ramses zugedachte Aufgabe war noch nicht beendet. Ein Pharao mußte, so groß sein menschliches Leid auch sein mochte, seine Pflichten gegenüber den himmlischen Mächten und gegenüber seinem Volk erfüllen. Als unvergänglicher Stern würde Nefertari jedoch weiterhin seine Schritte lenken, damit das Land auch fortan den Pfaden der Maat folge, bis diese ihm seine Ruhe zugestand.
    Der Tag neigte sich bereits dem Ende entgegen, als Nefertaris Magie dem König gebot, in die Welt draußen zurückzukehren, in die Welt, in der er nicht wanken noch weichen durfte.
    Auf dem Vorplatz hatten sich Hunderte von Nubiern in festlicher Aufmachung versammelt. Die Häuptlinge der verschiedenen Stämme und ihre

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