Im Schatten der Burgen: Ein historischer Kriminalroman aus der Eifel (German Edition)
du gerade sagen!
»Wer hat denn über mein Kleid gemeckert? Du oder ich?«
»Mit diesem Fetzen kommst du mir nicht auf die Straße!«
»Und warum nicht?«
»Weil du damit wie eine Hure aussiehst. Das ist schamlos!«
»Dir gefällt doch nie ein Kleid!«
Nikolaus blickte nun etwas genauer hin. Die Frau trug ein ärmelloses Leinenkleid, das vorn und unter den Armen sehr offenherzig geschnitten war. Weder eine Bluse noch ein Tuch verhinderten einen tiefen Einblick. Zum Glück war Nikolaus weit genug entfernt, um Einzelheiten sehen zu können. Aber in Köln hatte er Dirnen tatsächlich so herumlaufen sehen. Er konnte die Verärgerung des Bauern verstehen.
»Ich will nicht, dass die Nachbarn wegen dir über mich lachen«, schimpfte Dunkel.
»Ach?« Jetzt stemmte sie die Hände in die Seiten. »Und als ich das schwarze Kleid anhatte, hast du auch nur gemeckert.«
»Ein Kleid muss auch zu einem passen!«
»Aber als Christina es beim Fest trug, konntest du nicht oft genug mit ihr tanzen. Ich habe doch genau gesehen, wie du es ihr mit den Augen ausgezogen hast.«
»Aber sie hatte wenigstens noch ein Hemd an!«
Nikolaus zuckte zusammen. Hatten die beiden Streithähne soeben von Christinas Kleid gesprochen? Von ihrem gestohlenen schwarzen Kleid? Die Bäuerin Dunkel hatte es angehabt? Dann hatte Isabe doch recht! Er pfiff auf alle gute Absicht, die Einheimischen nicht noch mehr gegen sich aufzubringen, und eilte auf den Hof.
Ohne eine Begrüßung kam er sofort zur Sache: »Von was für einem Kleid redet Ihr?«
Der Bauer Dunkel drehte sich erschrocken rum. »Oh, Ihr seid das. Ich habe jetzt keine Zeit für Eure Fragen. Ihr seht doch, dass ich etwas mit meiner Frau zu besprechen habe.«
Doch Nikolaus ließ sich nicht beirren und wiederholte seine Frage.
Wutentbrannt zischte die Frau: »Das geht Euch nichts an!«
»Oh, doch!«
Noch ehe seine Frau etwas erwidern konnte, platzte es aus dem Mann heraus: »Es geht nur um dieses Kleid da. Mehr nicht.«
»Aber ich habe eben selbst gehört, dass Eure Frau auch ein Kleid von Christina getragen hat.«
»Gisa hatte es sich ausgeliehen. Aber darin sah sie auch nicht besser aus.«
»Du Idiot!«, keifte sie los. »Willst du uns an den Galgen bringen?«
»Wenn es doch die Wahrheit ist!«
»Dann halt gefälligst dein blödes Maul.«
Zu Nikolaus gewandt erklärte er dann: »Gisa behauptet ja, das Kleid sei auch ihr wieder gestohlen worden. Aber warum wollt Ihr das wissen?«
Der junge Mann holte den Stofffetzen hervor. »Mit diesem Stück Stoff aus dem Kleid wurde Wilhelm geknebelt, als er umgebracht wurde. Wer das Kleid hat, muss mit dem Mord zu tun haben.«
Jetzt erhob sich erst recht ein Geschrei, denn nun kamen auch die beiden Freundinnen herbei und beschimpften ihn aufs Übelste. Nikolaus fand sich plötzlich von drei wütenden Frauen umringt, die ihn umherzuschubsen begannen. Unterdessen stand der Bauer wie vom Donner gerührt da und verstand die Welt nicht mehr. Als eine der Frauen plötzlich ein Holzscheit in der Hand hatte, war dies für Nikolaus das eindeutige Zeichen, sich schleunigst aus dem Staub zu machen. Blitzschnell wandte er sich um und rannte los. Doch schon nach wenigen Schritten stolperte er in eine Gruppe von drei Soldaten.
»Holla, mein Bürschchen!«, rief der Erste und versetzte Nikolaus einen so heftigen Stoß, dass er zu Boden fiel. »Hast du mal wieder Stunk gemacht? Ich glaube, du brauchst jetzt mal dringend ´ne Abreibung.«
Nikolaus schaute benommen auf und sah, wie auf einmal drei Bewaffnete und die Frauen auf ihn zukamen. In ihren Augen stand reine Vorfreude auf eine deftige Prügelei. Nikolaus befürchtete das Schlimmste für sich und seine körperliche Unversehrtheit.
Da fuhr plötzlich eine laute Stimme dazwischen: »Halt!«
Alles drehte sich erstaunt herum.
Der Hauptmann Seidel kam herbeigerannt. Mit einem schnellen Blick verschaffte er sich einen Überblick und fragte seine Untergebenen barsch: »Was geht hier vor?«
Der Soldat, der Nikolaus zu Boden geworfen hatte, meinte lapidar. »Nichts. Nur der Affe da, der wollte den lieben Damen zu nahe treten. Das haben wir nur unterbunden. Mehr war nicht.«
»Und das soll ich glauben?«
»Klar.« Dabei grinste die Wache den Hauptmann frech an.
Doch der wandte sich nun an Nikolaus. »Ihr hättet besser verschwinden sollen. Ihr seht doch, dass Ihr Euch mit der ewigen Fragerei nur Ärger aufhalst.«
»Aber ich weiß jetzt, wer Wilhelm ermordet hat.«
Seidel kam näher und half Nikolaus
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