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Im Schatten der Giganten: Roman

Im Schatten der Giganten: Roman

Titel: Im Schatten der Giganten: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Tallerman , Andreas Brandhorst
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des rechten, und das Schwert baumelte in erschlafften Fingern.
    Moaradrid machte einen Schritt in meine Richtung, deutete mit der Spitze seines Säbels auf meinen Kopf und schrie. Dann lief er los, direkt auf mich zu und nur ein wenig von der Wunde in seinem Oberschenkel behindert. Von seiner früheren Würde war nichts mehr zu sehen. Wie ein tollwütiger Hund stürmte er über den Hang, angetrieben von animalischem Hass.
    Die Entfernung war zu groß. Ich erreichte die Stelle vor ihm und sank auf die Knie. Voller Blut, Schleim und Schmutz lag Alvantes’ Hand vor mir, wie eine auf dem Rücken liegende Krabbe. Daneben sah ich den blutbefleckten Riesen-Stein.
    Ich nahm ihn, fühlte seine Kühle an den Fingern und leistete einen stummen Eid.
    Diesmal würde ich den Stein dorthin zurückbringen, wohin er gehörte.

22
    W o vorher eine Straße gewesen war, erstreckte sich jetzt ein See aus Blut, in dem Fleischfetzen schwammen. Ich stand mitten darin, und mir kam ein seltsamer Gedanke. Wenn Heldentum bedeutete, dass man leichtfertig sein Leben aufs Spiel setzte, so hatte ich gerade bewiesen, ein Held zu sein.
    Vermutlich erforderte Heroismus noch etwas anderes, das ich übersah. Als ich mich umdrehte und zu Estrada und Salzleck zurücklief, dachte ich an Alvantes, der noch immer seinen blutenden Arm hielt.
    Vielleicht musste man tatsächlich selbstmörderische Tendenzen haben, um ein Held werden zu können.
    Estrada war während meiner Abwesenheit nicht untätig gewesen. Sie hatte zwei unserer Pferde von den Bäumen geholt, wo Moaradrids Männer sie angebunden hatten, und wartete mit den Zügeln in der Hand. Die Tiere schienen der Panik nahe zu sein, waren aber immer noch die bessere Lösung als eine Flucht zu Fuß.
    Doch eins nach dem anderen. »Steh auf, Salzleck!«, rief ich und hielt den Stein so, dass er ihn sehen konnte. »Du bist frei. Du kannst nach Hause zurückkehren.«
    Salzleck sprang auf, und in seinem Gesicht erschien das breiteste Lächeln, das ich je gesehen hatte. »Nach Hause!«, brüllte er.
    Auf halbem Weg zu den Pferden wagte ich einen Blick über die Schulter. Moaradrid war damit beschäftigt, Reiter vom Eingang des Tals um sich zu sammeln. Die betreffenden Soldaten mussten sich einen Weg durch die neuen Kämpfe bahnen, die nach dem Duell hier und dort begonnen hatten. Alvantes versuchte, zu den Altapasaedanern zurückzukehren, die verzweifelten Widerstand leisteten. Sein Gesicht war schmerzverzerrt und das Kettenhemd voller Blut, aber er hielt das Schwert in der unverletzt gebliebenen Hand und schlug nach jedem nahen Gegner.
    Ein bemerkenswerter Mann. Offenbar wusste er nicht, wann man besser aufgab und starb. Doch Nordländer umringten ihn auf allen Seiten, und ich bezweifelte sehr, dass er sich noch lange auf den Beinen halten konnte.
    Ich eilte weiter. Estrada kam mir mit den Pferden entgegen – sie zerrte an den Zügeln, übertrieb es aber nicht, damit die Tiere nicht endgültig ausrasteten und davonstoben. Salzleck folgte ihnen und grinste noch immer, voller Freude über seine neue Freiheit. Das Gemetzel schien er noch gar nicht richtig zur Kenntnis genommen zu haben.
    Als ich Estrada erreichte, war ich ziemlich außer Atem und schnappte nach Luft. Sie drückte mir die Zügel in die Hand.
    »Ausruhen kannst du dich später, wenn wir dann noch nicht tot sind.«
    Estrada schwang sich in den Sattel. Ich stopfte den Riesen-Stein in eine Tasche und folgte ihrem Beispiel. Mein Ross – ein pechschwarzer Hengst mit einem irren Funkeln in den Augen – hatte Alvantes gehört und schien nicht glücklich darüber zu sein, dass er mich tragen sollte. Er wieherte protestierend und scharrte mit den Vorderhufen. Davon überzeugt, dass er sich aufbäumen würde, schlang ich ihm die Arme um den Hals. Genau in diesem Moment trieb Estrada ihr Pferd an, und vielleicht glaubte sich der Hengst davon herausgefordert, denn er setzte sich ebenfalls in Bewegung.
    Aber in diesem Zusammenhang von »Bewegung« zu sprechen, wurde dem jähen Spurt nicht gerecht. Wer jemals mit einem kleinen Ruderboot in einen Taifun geraten ist, mag eine Vorstellung davon haben, wie ich mich fühlte. Ich klammerte mich an dem wahnsinnigen Geschöpf fest und widerstand dem Drang, die Augen zu schließen.
    Ich gab ihm nach, als wir die erste Kurve erreichten. Kurz darauf hob ich die Lider wieder, nach dem schrecklichen Gefühl, weit zur Seite zu hängen und dem Boden zu nahe zu sein, und sah eine lange gerade Strecke vor uns. Der Hengst

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