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Im Schatten der Lüge: Thriller (German Edition)

Im Schatten der Lüge: Thriller (German Edition)

Titel: Im Schatten der Lüge: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Marwood
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Vergnügungspark den Rücken zugekehrt, sodass sie Blessed nicht herankommen sieht.
    » Genau, Baby«, sagt sie, » bis es weh tut.«
    Blessed zögert. Das klingt nach einem Privatgespräch, obwohl Jackie nicht gerade viele ihrer Gedanken für sich behält. » Und dann, wenn du denkst, du kannst nicht mehr, dann saug ich an meinem Finger und –«
    Blessed hustet eilig. Jackie zuckt zusammen und wirft einen schuldbewussten Blick über die Schulter. Als sie Blessed sieht, grinst sie und streckt den gummiüberzogenen Finger in die Höhe, von dem gerade die Rede war. » Muss Schluss machen, Baby. Ja, später. Ich warte.«
    Sie legt auf. » Hallo.«
    » Hallo«, sagt Blessed. » Wie geht’s dir heute?«
    » Gut, dass Feierabend ist«, erwidert Jackie. » Ist Amber schon fertig?«
    » Weiß nicht. Sicher kommt sie, um nach uns zu sehen. Ich hab dir das hier mitgebracht.« Sie fischt den Pferdeschwanz aus ihrer Plastiktüte. » Hat jemand verloren. Ich dachte, der könnte dir stehen.«
    Jackie tritt näher und betrachtet ihn stirnrunzelnd. » Secondhand-Haare?«
    Blessed spürt, dass sie rot wird. Erkennt, dass ihr wieder einmal eins dieser kulturellen Missverständnisse unterlaufen ist, die, seit sie hier ankam, schon viele Freundschaften im Keim erstickt haben. Nicht, dass sie ein brennendes Verlangen nach allzu viel Nähe zu Jackie hätte. Im Gegenteil hat sie eher das Gefühl, Benedick, der gerade in der Pubertät ist, besser von ihr fernzuhalten. » Es sieht nicht benutzt aus«, stammelt sie. » Ich hab mir gedacht, dass seine Besitzerin es gestern zum ersten Mal getragen haben muss.«
    Jackie will es noch nicht einmal anfassen. Unter ihrem kritischen Blick erkennt Blessed, dass es ein Billigteil ist; dass für jemanden, der an die günstigen, im Überfluss vorhandenen Luxusgüter eines reichen Landes gewöhnt ist, Haar aus zweiter Hand kaum weniger ekelerregend ist als eine gebrauchte Zahnbürste. » Na ja, du bist in Ordnung, Blessed«, meint sie. » Danke jedenfalls.«
    Blessed stopft den Pferdeschwanz wieder in den Müllbeutel und versucht, ihre Beschämung nicht zu zeigen. An Jackies Stelle hätte sie zumindest Freude vorgetäuscht und das Geschenk angenommen, selbst wenn sie fest entschlossen gewesen wäre, es in den nächsten Abfalleimer zu werfen. Sie verspürt ein leises Heimweh nach den Umgangsformen, mit denen sie groß wurde.
    » Bist du fertig?«, fragt sie.
    Jackie nickt. » Glaub schon. Bin todmüde.«
    » Ich auch. War ’ne lange Nacht.« Sie machen sich auf den Weg zu den Müllcontainern, die Müllsäcke schlagen ihnen gegen die Waden. » Was hast du für den Rest des Tages vor?«
    » Schlafen, so lange es geht«, sagt Jackie, » dann zu Morrisons – ich hab nichts mehr im Haus.«
    » Wohnst du denn wieder zu Hause?«
    Jackie nickt. » Ja. Bin gestern zurück.«
    » O gut«, meint Blessed. » Freut mich zu hören.«
    » Es wurde langsam ungemütlich.«
    » Kann ich mir vorstellen. Niemand möchte länger bleiben, als er willkommen ist.«
    » Ich lebe eben nicht gern nach den Regeln anderer Leute«, erklärt Jackie. » Und ich habe es nicht gern, wenn sie sich in meine Angelegenheiten einmischen, verstehst du?«
    Blessed zieht eine Augenbraue hoch. Gar nicht so schlecht, dass ihr jetzt vor Augen geführt wird, wie schwer es Jackie fällt, dankbar zu sein. Und dass es nicht nur bei ihren eigenen Geschenken so ist. » Du denkst also, dein… Problem ist gelöst?«, fragt sie mit leiser Ironie. Amber hat ihr gestern Abend von ihrer Unterhaltung mit Martin Bagshawe erzählt, und sie ist gespannt, wer die Lorbeeren ernten wird.
    » Ja«, sagt Jackie. » Ich glaub, er hat’s kapiert. Letztendlich muss man hart sein, oder? Für sich selber eintreten.«
    Blessed gestattet sich ein kleines Grinsen, wendet aber den Kopf ab, um es zu verbergen.
    Amber wartet bereits in den Umkleideräumen und lässt ihre Schlüssel wie ein Kinderspielzeug um ihren Zeigefinger rotieren. Sie sieht müde aus und ist ganz grau im Gesicht, ihre Augen sind rot gerändert, aber um diese Zeit sind sie alle ziemlich am Ende. » Fertig?«, erkundigt sie sich. Ihre Stimme klingt dünn. Blessed ist immer fasziniert, wie unterschiedlich Stimmen am frühen Morgen klingen können, als ob die Lebensgeister ihrer Besitzer mit der fortschreitenden Zeit verschwänden. Die meisten Menschen sterben am frühen Morgen, so etwa vor einer Stunde, überlegt sie. Wahrscheinlich sind wir während der Morgendämmerung alle nicht mehr ganz in unseren

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