Im Schatten des Münsters - Buthe, H: Im Schatten des Münsters
Gerster wirkte darin deplatziert, woraus er auchv erbal keinen Hehl machte.
»Die nehmen dich so ernster«, war ihr abschließendes unwidersprochenes Argument.
Die Versammlung fand in einem Saal statt, der wohl für eine kommende Veranstaltung, etwa eine Hochzeit, festlich geschmückt war.
Die etwa fünfzig Anwesenden standen mit einem Glas in Gruppen herum. Mir fiel auf, dassk eine Frau zugegen war. Der Wirteverein, oder besser, die lokale Gastronomie, war demnach ausschließlich in männlicher Hand, was ich bezweifelte. Bei einigen Lokalitäten hatte ich auf den Türschildern gesehen, dass die Inhaber oder Pächter sehr wohl weibliche Vornamen trugen.
»Gehört keine Frau zu dieser Elite?«, fragte ich Herrn Gerster.
Er murmelte etwas und zog mich zu einer Gruppe aus drei Herren, die sich angeregt rauchend unterhielten.
Er stellte mich dem Vorstand vor. Zwei der Männer lösten bei mir nur eine höfliche Verbeugung aus. Den dritten, Klaus Müller, Direktor der Sparkasse, siedelte mein Instinkt sofort in der untersten Sympathieklasse an. Er unterschied sich zwar nicht wesentlich von den anderen, aber er strahlte die Wärme seines Haupttresors aus.
»Sehr schön, dass Sie Herrn Gerster beraten. Hätten hier noch ein paar nötig.«
Damit wandte er sich wieder seinen Kollegenz u.
Herr Gerster strahlte. »Eigentlich könnten wir jetzt gehen. Aber vorher essen wir noch.«
Ich verstand nicht.
»Ist doch einfach. Jetzt weiß die Bank, dass ich einen Berater an der Seite habe. Sie werden sich hüten, mich weiter als Dummkopf zu behandeln und einfach so über den Tisch zu ziehen.«
Obwohl mich diese Schlitzohrigkeit ärgerte und ich ihm dazu noch ein paar passende Worte sagen würde, spielte ich mit. Wenn schon blenden, dann aber richtig. Außerdem hatte ich mich dem dicken Wirt auch als Berater vorgestellt.
Den fand ich in einem gequält leise gehaltenen Gespräch mit den Kollegen vom Münsterplatz, die ebenfalls eine Pachterhöhung erhalten hatten. Ich verstand nicht viel, aber es schien ein konspiratives Gespräch zu sein, das überwiegend aus »wenn nicht« und »dann« bestand. Genannte Namen sagten mir nichts.
Als sie mich bemerkten, lächelte der dicke Wirt freundlich und wechselte in normaler Lautstärke das Thema.
War es Zufall, oder hatte Herr Gerster nachgeholfen? Beim Essen saßen wir beide am Tisch der Marktplatzwirte. Die Sitzordnung war jedenfalls nicht unwillkürlich. Die gebeutelten Wirte saßen den noch nicht geschröpften gegenüber. Herr Gerster und ich nahmen jeweils den Platz am Kopfende ein, gleichsam als Beobachter oder Linienrichter.
Ein ausgezeichnetes Menü konnte die Spannung zwischen den Fronten bestenfalls im Rahmen eines Waffenstillstandes halten. Die Eskalation begann beim Dessert und dem abschließenden Schnaps.
Während die übrigen Teilnehmer der Veranstaltung in gesättigtes Murmeln verfielen, polterte der dicke Wirt los. Sein Gegenüber, sein kroatischer Nachbar auf dem Münsterplatz, war das Opfer. Was nun folgte, war ein Mosaikstein mehr für die Aussage des Professors. Am Münster herrschte Krieg, geführt mit allen Waffen, die den menschlichen Niederungen entspringen können.
Der Wirt stützte seinen rechten Ellenbogen auf den Tisch, ballte die Faust und zielte mit dem Zeigefinger wie mit einer Waffe auf den Kroaten.
»Hör zu, du Partisan. Du weißt, was mal wieder los ist. Ich muss die Preise anheben und erwarte von dir, dass du mitziehst.« Und zu dem Kebab-Inhaber, der sein Essen in Schwein und Nichtschwein auseinandergefieselt hatte: »Und du Kümmeltürke schluckst nicht wieder die Pachterhöhung, sondern setzt zumindest deine Getränkepreise mit meinen gleich. Was du mit deinem Fraß machst, interessiert mich nicht.«
Die gleiche Drohung erging an den Griechen und den Italiener von der Nordseite, die von der Pachterhöhung nicht betroffen waren.
Der Kroate, er erinnerte mich an ein Bild Stalins, stemmte sich auf seinen Fäusten hoch und beugte sich über den Tisch.
»Es reicht, du fettes Nazi-Schwein. Wenn es dir schlecht geht, dann soll es uns auch schlecht gehen. Wenn es dir gut geht, drangsalierst du uns. Wenn du nicht die Finger von meiner Frau lässt und weiterhin meine Bedienungen versuchst abzuwerben, landest du noch in feinen Scheiben beim Türken. Das schwöre ich. Und ich werde meine Preise sol ange senken, bis du verreckt bist.«
Der Türke lächelte still vor sich hin, der Grieche klopfte Beifall mit dem Messergriff. Der Pizza-Italiener
Weitere Kostenlose Bücher