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Im Schatten dunkler Mächte

Im Schatten dunkler Mächte

Titel: Im Schatten dunkler Mächte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Marie Moning
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erzählt. Dies ist der Mann, der auf jede meiner Beulen oder Prellungen gepustet hatte – auch auf die eingebildeten Verletzungen, wenn ich als kleines Kind nur ein Princess-Jasmine-Pflaster haben, mich auf seinen Schoß setzen und ein wenig kuscheln wollte.
    Nach einer Weile erkundigte ich mich nach Mom. Eine lange Pause entstand, und ich fürchtete, sie würde selbst ans Telefon kommen … dann meldete sie sich tatsächlich, und eine unbeschreibliche Freude erfüllte mich, als ich seit Monaten zum ersten Mal wieder ihre Stimme hörte.
    Obschon sie ihre Worte mit untypischem Bedacht wählte, bildete sie zusammenhängende Sätze, war klar im Kopf und stand offensichtlich nicht unter Medikamenten. Dad hatte gesagt, dass sie immer noch schnell ermüdete, deshalb hielt ich das Gespräch kurz und übermittelte ihr nur Gutes: Mein neuer Job sei fabelhaft, mein Arbeitgeber großartig, und ich hätte sogar schon eine Gehaltserhöhung bekommen. Wenn ich wieder zu Hause war, wolle ich einen eigenen Buchladen eröffnen; mein konkreter Plan sei, das College zu Ende und einen Abschluss in Betriebswirtschaft zu machen. Nein, zu Thanksgiving könne ich sie leider nicht besuchen, aber ich würde versuchen, zu Weihnachten nach Hause zu kommen.
    Notwendige Lügen. Jetzt wusste ich, was das war. Ich fühlte fast, dass Alina an meiner Seite stand und nickte, als ich mich bemühte, die Stimmung meiner Mutter zu heben. Jedes Mal, wenn damals in Ashford das Telefon für mich geklingelt hatte, hatte mich meine Schwester zum Lachen gebracht und mir das Gefühl vermittelt,geliebt zu werden und geborgen zu sein, während sie sich hier in Dublin Gedanken machen musste, wie sie den nächsten Tag noch erleben konnte.
    Nachdem ich aufgelegt hatte, machte ich mich über die Donuts her und gab eine zufällige Songliste in meinen iPod ein. »Knocking on Heavens Door« ertönte als Erstes, gefolgt von »Don’t Fear the Reaper«. Ich schaltete das Gerät aus.
    Keine Ahnung, was ich bis drei Uhr gemacht habe. Ich glaube, die meiste Zeit saß ich da und starrte ins Feuer. Schwellenzeiten sind ätzend. Man bekommt sie nicht zu fassen und kann sie weder gestalten noch so ankurbeln, dass Mitternacht schneller kommt oder ganz übersprungen wird. Man muss abwarten und diese Schwellenzeiten irgendwie durchstehen.
    Ich duschte, legte Make-up auf und glättete mein Haar, um es zu einem Pferdeschwanz zusammenzubinden. Dann zog ich eine schwarze Jeans, ein T-Shirt, Stiefel und ein Jackett an, nahm meinen Rucksack und stopfte den MacHalo hinein. Ich war spät dran. Ich steckte meinen Speer ins Schulterholster, schob zwei Messer, die ich aus Barrons’ Glasvitrine in seinem Arbeitszimmer geklaut hatte, unter den Hosenbund und verstaute Gläschen mit geschnetzelten Rhino-Boys in den Jackentaschen. Zu guter Letzt schnallte ich mir die Klettbänder mit den Lichtern um Hand- und Fußgelenke und steckte sogar ein Fläschchen mit Weihwasser in die Hosentasche. In dieser Stadt wusste man nie, was auf einen zukam. Wie die Leute zu Hause sagen: Ich war gerüstet für Bären. Für alle Arten.
    Ich ging hinunter, warf einen Blick aus dem Fenster und stutzte. Hatte ich so viel Zeit vertrödelt? Draußen war klares helles Novemberwetter gewesen, als ichhinaufgegangen war. Jetzt, um Viertel vor vier, war es schon fast dunkel. Ein Unwetter war aufgezogen, während ich meine Haare geföhnt hatte. Noch regnete es nicht, aber der Wind frischte auf, und es sah aus, als würde jederzeit ein ordentliches Gewitter über uns hereinbrechen.
    Ich nahm die Wagenschlüssel und schaute mich noch einmal um, um mich zu vergewissern, dass ich nichts vergessen hatte. Während mein Blick zu den Galerien wanderte, musste ich die ungute Vorahnung, dass ich Barrons Books and Baubles vielleicht nie wiedersehen würde, von mir abschütteln. Ich liebte die Stadt, und der Laden war mir richtig ans Herz gewachsen. Die Holzböden glänzten im bernsteinfarbenen Licht. Jedes Buch stand an seinem Platz, die Zeitungsständer waren frisch aufgefüllt, die Gasfeuer in den Kaminen verloschen. Die Sofas und Sessel wirkten einladend wie immer. Das Deckengemälde lag im Dunkeln. Eines Tages würde ich da hinaufklettern und es mir genauer ansehen. Der Laden war aufgeräumt und still – vollgestopft mit Phantasiewelten, die noch erforscht werden wollten –

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