Im Schatten meiner Schwester. Roman
verlegen. Molly befand sich selbst inmitten einer Krise. »Sie wollten irgendwohin.« Er trat einen Schritt zurück. »Ich sollte Sie gehen lassen.«
Sie lächelte traurig. Das tat sie oft, wie er bemerkte, und er nahm an, dass sie eine chronische Lächlerin war, die nun einfach sehr traurig war. »Ich gehe nach Hause«, sagte sie. »Ich muss packen. Ich ziehe Dienstag um.« In ihre Augen traten Tränen. »Wir ziehen am Dienstag um. Ich teile mir ein kleines Haus mit meiner Schwester. Wir müssen raus sein, bevor das Abrissunternehmen kommt. Wir wollten wieder zu unseren Eltern ziehen, bis wir etwas anderes gefunden haben.« Erneut dieses traurige Lächeln. »Das ist natürlich ironisch. Nach Hause gehen. Für Robin für immer.« Ihre Stimme brach. Sie presste eine Hand auf den Mund und senkte den Blick.
Er berührte ihre Schulter. »Es tut mir leid.«
Sie nickte und schniefte.
Er hatte kein Taschentuch. Aber er hatte starke Arme. »Brauchen Sie Hilfe beim Packen?«
Sie wischte sich mit dem Handrücken über die Nase. Er dachte gerade, dass sie auch kein Taschentuch hatte, was für eine Frau ungewöhnlich war, als sie ihn mit plötzlicher Wildheit ansah. »Nicht aus Mitleid«, erklärte sie. »Ich habe Robin jahrelang vertreten und kann es auch jetzt tun. Wenn Sie sich schuldig fühlen wegen ihr, will ich Ihre Hilfe nicht. Ich habe die Nase voll von Männern, die wegen ihrer Gefühle für sie Dinge mit mir machen.«
»Wow.« David hob die Hände. »Ich habe keine Gefühle für sie. Ich kenne sie nicht.«
So plötzlich, wie sie gekommen war, war ihre Wildheit wieder fort. »Nein. Sie nicht.«
»Ihnen beim Packen zu helfen wäre eine Therapie für mich. Es wird ein Gegengewicht für all die Male sein, in denen ich mich in letzter Zeit nutzlos gefühlt habe.«
»Müssen Sie nicht arbeiten?«
»Heute nicht mehr. Wo wohnen Sie?«
Sie schwieg einen Moment. »Sind Sie sicher?«
»Sehr«, antwortete er.
Er hatte wohl ernst genug ausgesehen, denn sie sagte: »Ich führe Sie hin«, und begab sich zu ihrem Auto.
Molly fühlte den gleichen Auftrieb wie immer, wenn sie zum Cottage fuhr, doch da ihr nur mehr vier Abende blieben, war es ein bittersüßes Vergnügen. Das war einer der Gründe, warum sie Davids Angebot angenommen hatte. Seine Anwesenheit wäre eine Ablenkung, die sie vielleicht davon abhielt, an diesen Ort zu denken, den sie liebte. Doch da war auch noch die Frage der Disziplin. Wenn David da war und ihr half, konnte sie es nicht mehr aufschieben.
»Es ist wirklich ein hinreißendes Haus«, sagte sie verteidigend, als sie die Tür aufschloss und ihn hineinführte. »Ich weiß, es sieht nicht nach viel aus mit all den Kisten, aber vorher war es sehr süß. Ich habe versucht, ein anderes Haus wie dieses zu finden, aber nichts kommt ihm auch nur nahe.« Sie ließ die Schlüssel und die Post fallen und öffnete mehrere Fenster. »Meine Großmutter sagt immer, dass Dinge aus einem Grund passieren. Vielleicht ist der Grund, weshalb ich kein anderes Haus gefunden habe, der, dass es Robins Schicksal war, dass das passiert ist, und ihr Kram sowieso nach Hause geschafft werden musste.« Sie legte den Kopf schief und lauschte. »Ich habe eine Katze, ich höre sie nicht.«
»Wie heißt sie?«
»Sie hat noch keinen Namen. Ich habe sie gerade erst bekommen.« Sie warf ihm einen schuldbewussten Blick zu. »Montag. Ich habe mir Zeit genommen, um sie einzugewöhnen, während Robin in der Notaufnahme dahinsiechte.«
»Hätte es einen Unterschied gemacht, wenn Sie früher im Krankenhaus gewesen wären?«
»Nein. Trotzdem …«
»Vielleicht müssen Sie loslassen«, meinte er freundlich. »So wie ich loslassen muss, dass ich, wenn ich schneller gelaufen wäre, früher dort angekommen wäre und sie gerettet hätte.«
»Sie haben sie gerettet«, stellte Molly fest.
»Wofür?«
Nun, es gab einen Grund. Es musste einen geben. »Ich werde es dich wissen lassen«, sagte sie, zum vertrauten Du wechselnd, und ging in die Küche. »Diese Katze ist vielleicht eine weitere von den schicksalhaften Begebenheiten, die Nana meinte. Robin war nicht gerade verrückt nach Katzen. Das Problem ist, dass meine Mutter es auch nicht ist, aber diese hier wird bei mir wohnen müssen – außer du willst sie?«, fragte sie hoffnungsvoll. David war ein sanfter Mensch. Sie hatte das von Anfang an gespürt. »Hast du Haustiere?«
Er schüttelte den Kopf. »In meiner Wohnanlage sind Haustiere nicht erlaubt. Ich bin aber mit Hunden groß
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