Im Schloss unserer Liebe
ihre Lippen.
Nur im Nachthemd setzte sie sich nun in den Schaukelstuhl neben dem Ofen, öffnete die Klappe und schaute ins lodernde Feuer.
Der Gedanke, von hier fortzugehen, war schrecklich.
Schon am Dienstag war es so weit.
Es gab keine andere Möglichkeit. Seit sie Matty wiedergesehen hatte, wusste sie, dass sie Himmel und Hölle in Bewegung setzen würde, um sich nicht mehr von ihm trennen zu müssen.
Rafael hatte sie geküsst.
„Das war dumm“, sagte sie laut vor sich hin. „Das darf nicht noch einmal geschehen. Seit Kass durfte dich kein Mann mehr berühren, Kelly, und es wäre verrückt, daran etwas zu ändern. Kein de Boutaine mehr! Nein, nein! Nicht noch einmal! Nein.“
Entschlossen stand sie auf und schaltete ihren Computer an. Sie gab Rafaels Namen ein.
Die Treffer waren so zahlreich, dass sie nicht alle Seiten lesen konnte. Meist ging es dabei um seine Arbeit, seine Erfindungen, die Preise, die er gewonnen, Reden, die er gehalten hatte, auch um ein besonderes Ausbildungssystem für Lehrlinge, das er ins Leben gerufen hatte. Alles sehr ehrenwert!
Kelly klickte eine Seite mit Fotos an. Das erste zeigte ihn bei einer Wohltätigkeitsgala im schwarzen Abendanzug. Neben ihm stand eine umwerfende Blondine mit endlos langen Beinen. Sie hatte sich bei Rafael eingehakt und lächelte ihn an, während er in die Kamera lächelte.
‚Rafael de Boutaine und seine Partnerin Anna Louise St. Claire‘ stand unter dem Foto.
„Aha“, murmelte Kelly. „Er hat also eine Partnerin.“
Verheiratet war er nicht, auch nicht verlobt. Aber gebunden.
Der Verlustschmerz, der sie wie ein Blitz traf, ließ sich kaum erklären. Sie interessierte sich doch gar nicht für diesen Mann.
Wenn er ein richtiger Junggeselle wäre, würden sich die Medien mehr um ihn reißen und weniger um Matty, versuchte sie ihre Enttäuschung zu erklären und betrachtete wieder das Foto. Nein, Rafael und seine Partnerin würden alle Blicke auf sich ziehen. Aus ihnen würde das Herrscherpaar von Alp de Ciel werden.
„Das kommt mir entgegen“, sagte sie heftig und schaltete den Computer aus. Wie dumm von ihr, ihn nach seinem Familienstand gefragt zu haben. Wie altmodisch! Typisch Historikerin. Sie lebte in der Vergangenheit.
Am liebsten hätte sie ein Kissen gegen die Wand geworfen, doch sie hielt sich zurück. Matty schlief. Ihr Matty. Nur er zählte.
4. KAPITEL
Matty gehörte nach Alp de Ciel. Und er war ihr Sohn. Also würde sie mit ihm gehen. Daran gab es keinen Zweifel. Ihr musste es gleichgültig sein, ob Rafael eine Partnerin hatte oder nicht.
Deshalb packte Kelly, verabschiedete sich von dem Ort und den Menschen, bei denen sie in den letzten fünf Jahren Zuflucht gefunden hatte, und bereitete sich innerlich darauf vor, das Leben einer Prinzessin zu führen.
Sie war ja noch Prinzessin Kellyn. Kass hatte nie die Scheidung betrieben. Warum auch? Einen Erben hatte er schon, und statt wieder zu heiraten, zog er es vor, so viele Affären zu haben, wie er wollte.
Die Ehe mit ihr war nicht nur ein Affront gegen seinen Vater gewesen, sondern auch eine Absage an alle infrage kommenden Damen des Hochadels, die sich Hoffnungen gemacht hatten, mit ihm den Thron zu teilen. Bis zu seinem Tod hatte er den Ehering getragen, der ihm die Freiheit gab, zu tun und zu lassen, was er wollte.
Und nun kehrte Kelly als seine Witwe und als Mutter des unmündigen Kronprinzen aus der Verbannung zurück ins Schloss. Irgendwie musste sie ihren Platz dort finden. Aber wie?
Was immer ihre Kolleginnen und Kollegen über ihre Vergangenheit und nahe Zukunft wussten, sie sprachen weder mit ihr noch mit anderen darüber und ermöglichten ihr auf diese Weise einen kurzen gemeinsamen Alltag mit ihrem Kind.
Wie schön hätte das Leben sein können, wenn er nicht Kronprinz gewesen wäre!
Auch Matty genoss die Zeit. Anfänglich quälte ihn noch Heimweh. Doch sobald er begriff, dass Rafael ihn nicht verlassen hatte, wurde er unternehmungslustig und neugierig, schloss sich den anderen Kindern an und spielte mit ihnen. Als die Abreise bevorstand, gehörte Matty zu ihnen.
Ach, könnte sie doch für immer mit ihm hierbleiben!
Aber es war nur eine Frage der Zeit, bis die Presse Matty aufgestöbert und dem unbeschwerten Leben ein Ende gesetzt hätte.
Sie mussten gehen. Kelly fühlte sich elend, und auch Matty wirkte bedrückt.
„Onkel Rafael wird uns trösten“, sagte er und griff nach ihrer Hand, als sie zum letzten Mal gemeinsam das kleine Haus verließen. „Sei
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