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Im Sturm des Lebens

Im Sturm des Lebens

Titel: Im Sturm des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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umdrehte und das erste Schaufenster, das ihm in die Augen fiel, zu einem Juwelierladen gehörte, nahm David das als ein Zeichen.
     
    Es war nicht so leicht, wie er angenommen hatte. Er wollte keinen Diamanten. Ihm fiel ein, dass Avano ihr wahrscheinlich einen geschenkt hatte, und er empfand tiefen Widerwillen dagegen, Pilar etwas zu schenken, was sie schon von Avano bekommen hatte.
    Er wollte etwas kaufen, das mit ihnen beiden zu tun hatte, etwas, das ihr zeigte, dass er sie so gut verstand wie kein anderer.
    Er stieg die Rialtobrücke hinauf, wo die Läden dicht gedrängt lagen und sich die Touristen durch die Menge drängelten, als ob ihnen das letzte Souvenir vor der Nase weggeschnappt werden könnte.
    David schob sich an den Ständen mit Lederwaren, T-Shirts und anderen Erinnerungsstücken vorbei und versuchte, sich auf die Schaufenster zu konzentrieren. Jedes quoll über vor Gold und Edelsteinen. Entmutigt, verärgert und müde von dem langen Spaziergang
wollte er beinahe aufgeben. Er konnte ja schließlich auch seine Assistentin in Venedig um eine Empfehlung bitten.
    Als er sich ein letztes Mal zu einem Schaufenster umdrehte, sah er ihn.
    Der Ring war mit fünf Steinen besetzt – alle in einer zarten Herzform – die farbig funkelten. Wie ihre Blumen, dachte er. Fünf Steine. Er trat näher. Einer für jeden von ihnen und für jedes ihrer Kinder. Der blaue war wahrscheinlich ein Saphir, der rote ein Rubin, der grüne ein Smaragd. Bei dem dunkelroten und dem goldenen Stein war er sich nicht sicher. Aber was spielte das schon für eine Rolle? Der Ring war einfach perfekt.
    Eine halbe Stunde später trat er wieder auf die Straße. Er trug die Beschreibung des Rings in seiner Tasche – Amethyst und Citrin sind die anderen beiden Steine, rief er sich noch einmal ins Gedächtnis. Und den Ring trug er ebenfalls bei sich. Er hatte das heutige Datum eingravieren lassen.
    Sie sollte immer daran erinnert werden, dass er ihn an dem Abend gefunden hatte, an dem er auf dem Markusplatz saß, während das Licht sanft wurde und er mit ihr redete.
    Ziellos wanderte er durch die schmalen Straßen. Jetzt, bei Einbruch der Dunkelheit, waren weniger Menschen unterwegs. Die Kanäle glitzerten schwärzlich. Hier und da hörte seine eigenen Schritte oder das Geräusch des Wassers, das an die Steine schwappte.
    Er beschloss, nicht in seine Wohnung zu gehen, sondern betrat eine Trattoria in einer Seitenstraße. Wenn er jetzt nach Hause ginge, würde er doch bloß arbeiten und sich damit den Abend verderben. Er bestellte
Steinbutt und einen halben Liter weißen Hauswein.
    Genüsslich verzehrte er sein Essen, lächelte sentimental über ein Paar, das offensichtlich in den Flitterwochen war, freute sich an dem kleinen Jungen, der seinen Eltern entwischt war und die Kellner bezauberte. Schließlich trank er noch einen Kaffee und überlegte sich, was er wohl sagen würde, wenn er Pilar den Ring schenkte.
    Als er später zurückging, waren die meisten Plätze menschenleer. Die Läden waren geschlossen und die Stände schon lange abgebaut.
    Ab und zu sah er einen Lichtstrahl aus einer Gondel, in der Touristen durch einen Seitenkanal fuhren, oder er hörte eine Stimme. Doch die meiste Zeit war er – endlich – allein.
    Langsam wanderte er durch die Gassen, ließ den Stress des Tages von sich abfallen und genoss Venedig in der Dunkelheit.
    Er überquerte eine Brücke, blickte auf, als Licht aus einem Fenster über ihm drang, und lächelte, als eine junge Frau die Wäscheleine hereinzog. Sie hatte dunkle Haare, die über ihre Schultern fielen. Ihre Arme waren lang und schlank und an ihrem Handgelenk blitzte es golden. Sie sang, und ihre klare Stimme erfüllte die leere Straße.
    Als sie ihn erblickte, lachte sie fröhlich auf.
    David blieb stehen und wollte ihr einen Gruß zurufen. Und damit rettete er wahrscheinlich sein Leben.
    Er verspürte einen plötzlichen Schmerz, ein heftiges Brennen in der Schulter. Schwach vernahm er ein Geräusch wie eine leise Explosion, und das Gesicht der Frau verschwamm vor seinen Augen.
    Dann fiel er langsam zu Boden und lag blutend und bewusstlos auf dem kalten Pflaster einer venezianischen Gasse.
     
    Davids Ohnmacht dauerte nicht lange. Er sah rote Schleier vor den Augen und hörte wie von ferne Stimmen. Italienische Worte drangen in sein Bewusstsein.
    Er empfand mehr Hitze als Schmerz, als ob ihn jemand direkt über ein Feuer hielte. Und er dachte, mit beinahe klarem Verstand: Man hat auf mich

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