Im Tempel des Regengottes
düsteren Kammer in die dampfende Schwüle des späten Nachmittags, und mitsamt seiner Bahre kurzerhand an die linke der drei Pyramiden gelehnt, die auf dem Dach der Ka'ana U-förmig angeordnet waren. Seit wenigstens einer Stunde stand er
hier im Kreis seiner Gefährten, unbeweglich wie eine Holzstatue, in Erwartung der geheimnisvollen Heilungszeremonie, die Ajkmsaj zu Ehren Cha'acs veranstalten würde.
Zu seiner Rechten, an der offenen Seite des Pyramidenhofs, erhob sich ein doppelt mannshohes Gebilde von der ungefähren Form einer Kugel, verhüllt mit grauen Tüchern, die sich im leichten Wind ab und an bauschten. Wann immer Roberts Blick dieses Gebilde streifte, steigerte sich seine Unruhe zu leiser Panik, dabei hatte er keinerlei Vorstellung, was sich unter den wallenden Tüchern verbergen mochte. Mehrfach war ihm, als ob von dort ein Stöhnen erklungen wäre, aber das mußte Einbildung sein, denn das verhüllte Gebilde war wenigstens dreißig Schritte von ihnen entfernt.
Der würzige Geruch des gerollten Tabaks verursachte ihm Übelkeit. Zigarren galten bei den Maya seit ältester Zeit als Labsal der Götter, wie schon Catherwood erfahren hatte, aber Robert argwöhnte, daß die Priester berauschende Substanzen unter den Tabak mischten, und so hatte er es bisher vermieden, von dem Götterkraut zu rauchen. Dennoch zog er nun an seiner Zigarre, um sie nur rasch anzubrennen, denn der kleine Maya stand schwankend vor ihm, den Kienspan emporgereckt, den Tragkorb auf seinem Rücken mühsam mit seinem verbliebenen Bein ausbalancierend.
»D'yosb'o'tik.« Er stieß eine Qualmwolke aus. »Danke.« Dabei mußte er sich zwingen, nicht immer wieder auf den zuckenden Beinstumpf zu starren, in den sich der Schenkelgurt so tief einschnitt, daß das roh vernarbte Ende des Stumpfes zum Platzen aufgequollen schien.
Der kleine Maya sah ihn nur forschend an, ohne etwas zu antworten. Er mochte elf, höchstens dreizehn Jahre alt sein, und seine Miene schien versteinert vor Trauer und Schmerz. Einen Moment lang erwiderte Robert seinen Blick, dann ertrug er es nicht mehr und wandte sich ab.
»Puuroj! Zigarren!« Zu Dutzenden humpelten und sprangen die verstümmelten Jungen auf dem First des Himmelspalastes umher, zwischen den reglosen Reihen der Priester Cha'acs, unter ihre Tragen geduckt, mit den Armen rudernd. Ohne es recht zu bemerken, zog Robert aufs neue an seiner Zigarre. Dann fiel ihm auf, daß er schon wieder den Jungen mit dem leuchtend roten Schenkelgurt beobachtete, wie er sich weiter durch die Menge der grauen Priester kämpfte, und er riß seinen Blick gewaltsam von ihm los. Für einen Moment schloß er die Augen, aber es half nichts. Unruhe erfüllte ihn, etwas Furchtbares würde heute geschehen, er spürte es genau.
Vorhin mußte der übliche Nachmittagsregen niedergegangen sein, hier und dort glitzerten Pfützen auf den verwitterten Mosaiken und rissigen Stuckflächen, die den First bedeckten. Aber der Regen hatte keinerlei Abkühlung gebracht, noch immer war es unerträglich heiß, obwohl der Tag schon weit fortgeschritten war. Robert wandte den Blick nach links, zu Stephen und Paul, die neben ihm an der Pyramide lehnten. Auch sie hatten Zigarren erhalten, die sie mit offensichtlichem Behagen pafften. Zwischen ihnen saß Miriam auf der untersten Stufe der Pyramide, in ihrer groben Nonnentracht, das goldblonde Haar in der Sonne glänzend. Mit drängendem Blick sah sie zu Stephen und Paul empor, als erwartete sie, daß die beiden einen zuvor gefaßten Plan endlich in die Tat umsetzten. Aber sie lehnten nur müßig an der verwitterten Fassade, pafften ihre Zigarren und blinzelten in die Nachmittagssonne. Es war offensichtlich, daß sie etwas im Schilde führten. Einen Moment lang war er versucht, sie zur Rede zu stellen, aber sie würden ihn doch nur verspotten oder aufs neue beschimpfen, da es ihm nicht einmal gelungen war, den auf der Karte vermerkten Schatzort in Augenschein zu nehmen. Außerdem hatte er jedes noch so flüchtige Gespräch mit Miriam vermieden, seit er zu seiner Bestürzung vorgestern nacht in ihren Armen erwacht war. Und solange er an die hölzerne Trage gebunden war, sagte er sich nun, unbeweglich aufgrund der Riemen und vor allem infolge der Rückenverletzung, die er sich laut Ixnaay zugezogen hatte, konnte er die Gefährten ohnehin nicht an neuerlichen Narrheiten hindern.
Zu seiner Rechten, auf einer Stufe zu seinen Füßen, hockten Ajkech und Mabo, eng aneinander gedrängt. Mit bedrückten
Weitere Kostenlose Bücher